Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Wahnsinnig bedeutend, hat die Technik des Cellospiels revolutioniert und so weiter.«
»Verstehe. Und der lebt nicht mehr, oder?«
»Schon lange nicht mehr. Ist 1973 oder so gestorben.«
»Woher sollte dann jemand seine DNS haben?«
Wolfgang winkte ab. »Das ist das kleinste Problem. Denk an die genetischen Untersuchungen, die die Polizei heutzutage macht. Denen reicht doch schon ein Haar oder eine Schweißspur. Es braucht bloß einer Casals Bogen aufbewahrt zu haben; an dem sind garantiert noch irgendwelche Hautschuppen oder so was zu finden. Es geht im Extremfall ja nur um eine einzige verdammte Zelle.«
Svenja überlegte. »Und woher will man wissen, dass die Zelle, die man gefunden hat, wirklich von diesem Pablo Casals stammt und nicht von dem Sammler? Oder sonst jemandem?«
»Vielleicht ist genau das passiert«, meinte Wolfgang düster. »Eine Verwechslung. Und vielleicht tue ich mich deswegen auch so schwer mit dem Cello. Weil ich in Wirklichkeit der Klon des Museumsverwalters bin.« Ein Gedanke kam ihm. »Hast du eigentlich noch den Schlüssel zur Oberstufenbücherei? Ich würde mir über die Ferien gern ein Buch zur Gentechnik ausleihen. Ich dachte, ich mach mich besser mal damit vertraut, wer ich bin.«
»Findest du nicht, dass du jetzt ein bisschen übertreibst?«, fragte Svenja, während sie in ihrem Geldbeutel nach der Chipkarte kramte.
Wolfgang spürte einen dicken Kloß im Hals. »Svenja, ich bin ein Klon. Ich weiß es.« Besser, er sagte es jetzt. Wenn sie mit ihm daraufhin Schluss machen würde, hatte er zweieinhalb Wochen Zeit, darüber hinwegzukommen.
»Du sagst das, als ob du erwartest, dass ich um Hilfe schreie oder so was.«
»Ein Klon, Svenja. Letztendlich ein Monstrum aus dem Labor, irgendwie.«
Ihr Gesicht verdüsterte sich. Er hatte es geahnt. Hoffentlich würde er Französisch und Chemie noch durchstehen, ohne dass man ihm etwas ansah.
»Jetzt mal langsam, Herr Wedeberg«, sagte Svenja ernst. »Ich habe mit Marco Schluss gemacht, weil er solche Sachen über dich gesagt hat. Fang also bitte du jetzt nicht selber damit an.«
»Aber hast du dir überlegt, was ist, wenn sich herausstellt, dass es stimmt?«
Sie musterte ihn, als wolle sie später aus dem Gedächtnis ein Porträt von ihm malen. »Du bist so, wie du bist«, erklärte sie bedächtig. »Und ich mag, wie du bist. Das ist es, was für mich zählt. Nicht, wie es zu Stande gekommen ist, du alter Esel.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. »So. Du hast es doch darauf angelegt, dass ich dir solche Liebesschwüre mache, oder? Gib's zu. Ich fall auf so was immer rein.«
Wolfgang war völlig geplättet. »Was? Ich?«
»Abgesehen davon«, fuhr Svenja fort und betrachtete dabei äußerst interessiert die Spitzen ihrer Schuhe, »glaube ich, dass die herkömmliche Methode, Menschen in die Welt zu setzen, einfach konkurrenzlos ist.« Wolfgang wurde regelrecht heiß. Was hieß das jetzt? »Ähm, ja, also…«, stotterte er und hatte das Gefühl, rot wie eine Tomate zu werden. Das durc h dringende Klingeln zum Pausenende enthob ihn einer An t wort, was gut war, denn ihm wären ohne Zweifel nur ausg e sprochen dämliche Antworten eingefallen.
»Jetzt sehen wir uns ziemlich lange nicht«, sagte er also stattdessen, wie er es sich vorgenommen hatte zum Abschied.
»Wenigstens weiß ich, wo du bist.«
»Ich würde dich gern noch mal küssen.« Das allerdings war ihm einfach so herausgerutscht.
»Dann tu's doch«, sagte Svenja.
Es wurden eintönige Ferientage. Wolfgang spielte pflichtbewusst Cello und gab sich sogar Mühe dabei, in der Hoffnung allerdings, dass derlei gute Führung dazu führen mochte, dass sein Hausarrest in absehbarer Zeit aufgehoben würde und er Svenja treffen konnte. Sie nicht wenigstens einmal am Tag zu sehen, vermisste er mehr, als er erwartet hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, die Ferien würden schneller vorübergehen.
In seinen freien Stunden las er in dem Buch, das er aus der Oberstufenbücherei mitgenommen hatte. Es war von einem Autorenpaar namens Ian Wilmut und Keith Campbell verfasst worden, zwei britischen Wissenschaftlern, die 1996 am Roslin Institut in Edinburgh das erste aus einer Körperzelle geklonte Säugetier erzeugt hatten, das berühmt gewordene Schaf Dolly. Wolfgang, der sich auf eine schwierige Lektüre eingerichtet hatte, stellte erstaunt fest, dass das Buch interessant und angenehm zu lesen war, und obwohl es naturgemäß ziemlich viel um
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