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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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vor dem Brandenburger Tor zeigte. Waren die beiden jung gewesen! Wolfgang musste grinsen. Vater hatte sein Haar schon damals lang getragen, nur war es da noch dunkel gewesen, was ihn ein wenig wie einen steckbrieflich gesuchten Terroristen hatte aussehen lassen. Was Mutter wohl an ihm gefunden haben mochte? Schwer zu sagen. Aber die beiden hatten jahrelang zusammengelebt, also musste es etwas gegeben haben, das sie verbunden hatte. Dass sie erst kurz vor seiner, Wolfgangs, Geburt geheiratet hatten, war sicher nur eine Formsache gewesen.
     
    Wolfgang sah auf, betrachtete sein Spiegelbild im dunklen Fenster und überlegte, was Svenja wohl an ihm finden mochte. Auch schwer zu sagen.
     
    Das vierte Album war dick, dunkelblau und groß. Es enthielt praktisch ausschließlich Bilder von Wolfgang. Wolfgang als Baby, in der Wiege, beim Wickeln, in der Badewanne, auf dem Boden sitzend und stolz eine Rassel in die Höhe haltend. Sommers im Gras, winters im Schnee. Im Kindergarten. Mit der Schultüte vor der Haustüre. Und natürlich jede Menge Fotos, auf denen er Cello spielte.
    Ganz nett, aber alles in allem nicht sehr ertragreich. Ohne große Erwartungen blätterte Wolfgang doch noch den Band mit den Spanienbildern durch.
    Den Bildern war die Wedeberg'sche Unlust am Fotografieren deutlich anzumerken. Es mochten nette Erinnerungen sein, aber genau genommen waren sie ausgesprochen nichts sagend. Auf neunzig Prozent von ihnen sah man Mutter, auf den übrigen Vater, verkniffen dreinsehend, als fürchte er um seinen Fotoapparat, und der Hintergrund zeigte palmengesäumte Strände, palmengesäumte Straßen oder palmengesäumtes altes Gemäuer. Dass das alles in Spanien stattgefunden hatte, musste man schon dazusagen.
     
    Wolfgang wollte das Album gerade zuschlagen, als sein Blick an einem Foto hängen blieb, an dem ihn irgendetwas irrierte. Nur was? Er rückte näher ans Licht, betrachtete es genauer. Es war eines von der Mutter-vor-altem-Gemäuer-Sorte. Das alte Gemäuer war ein großer Platz vor einem Felsen, auf dem sich eine wuchtige Festungsmauer erhob und darüber ein Leuchtturm. Im Hintergrund ragten ein paar Antennen in die Höhe. Mutter stand da, hielt ihren breitkrempigen Sonnenhut auf dem Kopf fest und deutete aufs Meer hinaus. Wie man es eben so macht, wenn man sich fotografieren lässt.
     
    Es war wie ein Faustschlag in die Magengrube, als Wolfgang plötzlich klar wurde, was ihn an dem Foto irritiert hatte.
     
    Er kannte dieses Gemäuer!
    Mehr noch: Jeder, der die letzten paar Wochen nicht gerade auf einem anderen Planeten zugebracht hatte oder ein notorischer Fernsehhasser war, kannte dieses Gemäuer. Vie l leicht hatte nicht jeder eine Geschichtslehrerin, die sich g e drängt fühlte, anhan d einer Videoaufnahme eines mittl erweile berühmten Fernsehinterviews mit einem mittlerweile eher berüchtigten Wissenschaftler zu erklären, dass diese Anlage Castillo del Morro hieß. Aber niemandem konnte entgangen sein, dass besagtes Interview in Havanna aufgenommen worden war.
     
    Mit anderen Worten: Seine Eltern, die ein Jahr vor seiner Geburt geheiratet hatten, waren auf ihrer Hochzeitsreise nicht in Spanien gewesen, sondern auf Kuba.
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    Kapitel 12
     
    »Das muss nichts zu bedeuten haben«, sagte Svenja.
     
    »Ich bin aber sicher, dass das was zu bedeuten hat«, sagte Wolfgang.
    Sie sah ihn zweifelnd an. »Aber…«
    »Verdammt, Svenja, sie haben mich belogen! Sie haben mir nie gesagt, dass sie auf Kuba waren. Nie. Spanien, verdammt noch mal. Sie waren auf Kuba, genau zur fraglichen Zeit. Es passt alles!« Es brach förmlich aus ihm heraus. Erst jetzt, als er endlich jemand davon erzählen konnte, merkte er, wie er innerlich zitterte. Es war große Pause, und sie hatten sich an den äußersten Rand des Schulhofs absetzen können, einem Bereich zwischen dem Fahrradschuppen und der Nussbaumhecke des angrenzenden Parks, der einer stillschweigenden Übereinkunft nach den Liebespärchen vorbehalten war.
    »Aber der Gentest hat doch ergeben –«
    «Das kann alles Mögliche heißen. Bewiesen ist damit bloß, dass ich nicht der Klon meines Vaters bin. Ansonsten kann ich der Klon von sonst wem sein, von Fidel Castro vielleicht oder von Adolf Hitler oder was weiß ich von wem.« Wolfgang hielt inne, versuchte ruhig zu bleiben, klar zu denken. »Obwohl, nein. Wenn ich daran denke, wie mein Vater drauf ist, bin ich wahrscheinlich ein Klon von Pablo Casals.«
    »Wer ist Pablo Casals?«
    »Ein spanischer Cellist.

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