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Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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doch als sie versuchte, die Fahrt zu verlangsamen, waren ihre Glieder so taub, daß kostbare Sekunden verstrichen, bevor ihr Körper in der Lage war, auf den verzweifelten Befehl ihres Gehirns zu reagieren.
    Das einzige, was in der Kälte nicht erstarrte, war ihre Furcht, die Furcht, daß Zack sie einholen und sie an der Flucht hindern könnte - und dann noch die neue, lähmende Furcht, daß sie, wenn er es nicht täte, wahrscheinlich hier draußen jämmerlich umkommen würde, erfroren in einem Blizzard, begraben unter riesigen Schneemassen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie bereits einen Suchtrupp, der im Frühjahr ihre konservierten sterblichen Überreste aus dem langsam wegtauenden Schnee barg, Körper und Kopf noch immer in diesem schicken marineblauen Schneeanzug mit passendem Helm, die beide - sicher nicht zufällig - farblich genau auf das Snowmobil abgestimmt waren, mit dem sie unterwegs war. Welch ein »perfektes« Ende, so dachte sie in bitterer Verzweiflung, für ein kleines Mädchen aus den Slums von Chicago, die alles darangesetzt hatte, perfekt zu sein.
    Durch die Zweige der vorbeifliegenden Bäume erhaschte sie einen Blick auf die tief unter ihr liegende Staatsstraße, die in einer engen Kurve um den Berg führte, doch ging es von hier nach dort fast senkrecht hinunter. Wenn sie diesen Weg wählte, würde sie vielleicht ein paar Sekunden eher unten ankommen, doch ganz bestimmt nicht heil und unverletzt. Außerdem mußte sie zuerst die Brücke passieren, die den inzwischen zu einem reißenden Strom angeschwollenen Fluß überspannte. Sie versuchte sich zu erinnern, wo die Brücke genau lag. Eigentlich müßte sie hinter der nächsten Biegung auftauchen, doch war es schwer, Entfernungen ab-zuschätzen, wenn die »Straße« nurmehr aus einem schmalen Pfad zwischen hohen Schneewehen bestand.
    Ihr fiel ein, daß es vermutlich das beste wäre, wenn sie kurz abstiege und etwas zur Förderung der Durchblutung und zur inneren Erwärmung täte, beispielsweise mit den Füßen aufzustampfen. Andererseits hatte sie Angst, dadurch kostbare Zeit zu verlieren und vielleicht ihren Vorsprung einzubüßen. Wenn der Schnee ihre Spuren von der Garage zum Wald bereits unsichtbar gemacht hatte, war es durchaus möglich, daß er - nachdem er ihre Flucht bemerkt hatte - gleich der Straße folgen und deshalb viel rascher aufholen würde, als wenn er ihren Spuren quer durch den Wald nachfuhr. Julie hatte es absichtlich vermieden, sich umzusehen, weil sie Angst hatte, ihren Blick vom Weg abzuwenden und erneut die Kontrolle über das schlitternde Fahrzeug zu verlieren. Doch jetzt, da sie merkte, daß alles davon abhing, wie rasch der Schneefall ihre Spuren verwischte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter und unterdrückte einen Aufschrei. Über ihr, und noch ein ganzes Stück zurück, raste ein Snowmobil durch den Wald auf die Straße zu, dessen Fahrer weit vornübergebeugt im Sattel saß - eine unheilverheißende, drohende Erscheinung, die mit scheinbar schwereloser Leichtigkeit Felsen und Bäumen auswich.
    Schrecken und Wut ließen sie selbst die grimmige Kälte vergessen und sandten Adrenalinstöße durch ihre Adern. Hoffend, daß er sie durch die dichten Bäume, die die schmale Straße auf beiden Seiten säumten, noch nicht erblickt hatte, sah sie sich suchend nach einem Platz um, wo sie sich verstecken konnte, so daß er an ihr vorbeifahren würde. Ein Stück weit vor ihr lag ein schmales Plateau, doch war die Straße an dieser Stelle von Felsbrocken begrenzt, die anstelle einer Leitplanke dafür sorgen sollten, daß kein Auto die steile Böschung hinabstürzte. Irgendwie mußte sie zwischen den Steinen hindurchgelangen und dann das Snowmobil abbremsen, bevor sie das Ende des Plateaus erreichte. Anschließend galt es, zwischen den Bäumen, deren Wipfel die linke Straßenseite überragten, ein Versteck zu suchen. Da sie keine Zeit hatte, sich einen anderen Plan auszudenken, lenkte Julie das Snowmobil auf den Zwischenraum zwischen zwei mannshohen Felsen zu und bremste dann mit voller Kraft ab, während sie über den Felsvorsprung raste.
    Das Plateau war wesentlich schmäler, als es den Anschein gehabt hatte. Julie schoß darüber hinaus und flog einige schreckliche, furchterregend lange Sekunden durch die Luft. Doch schon tauchte das Snowmobil wie eine fehlgestartete Rakete mit der Nase voraus in den Tiefschnee und sauste geradewegs auf einige Bäume und auf den unmittelbar

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