Perfekt
Kaminsims gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt, nicht weit von ihr entfernt und beobachtete sie lächelnd. Das Haar noch feucht von der Dusche, in einem cremefarbenen Lederhemd, das am Hals offenstand und in eine beige Hose gesteckt war, sah er unglaublich gut aus, wirkte völlig gesund ... und ausgesprochen amüsiert.
Julie ignorierte den verräterischen Sprung, den ihr Herz beim Anblick dieses faszinierenden, vertrauten Lächelns machte, und setzte sich hastig auf. »Dein Freund - Dominic Sandini - er ist nicht gestorben«, berichtete sie ihm, da sie ihm diese Sorge möglichst schnell abnehmen wollte, und das »Du« kam wie selbstverständlich über ihre Lippen. »Es heißt, daß er wieder ganz gesund wird.«
»Das habe ich gehört.«
»Hast du?« fragte Julie vorsichtig. Ihr dämmerte, daß er es vielleicht im Radio gehört hatte, während er sich anzog. Wenn nicht - wenn er sich daran erinnerte, daß sie es ihm erzählt hatte -, dann bestand die grauenhafte Möglichkeit, daß er sich auch an die anderen Dinge erinnerte, die sie in jenen Minuten unbedachterweise geäußert hatte, als sie ihn für ohnmächtig hielt. Sie wartete und hoffte, daß er das Radio erwähnen würde, doch er blickte sie nur weiter an, mit demselben Lächeln auf den Lippen, und Julie wurde ganz heiß vor Scham. »Wie fühlst du dich?« fragte sie und stand hastig auf.
»Inzwischen besser. Als ich aufgewacht bin, hatte ich das Gefühl, im eigenen Saft zu schmoren.«
»Was? Oh, du meinst, daß das Zimmer zu warm geworden ist?«
Er nickte. »Ich habe geträumt, daß ich gestorben sei und in der Hölle wäre. Als ich die Augen aufmachte, sah ich die Flammen rings herum und war mir ziemlich sicher.«
»Tut mir leid«, sagte Julie und suchte in seinem Gesicht ängstlich nach Spuren der vorangegangenen Strapazen.
»Es braucht dir nicht leid zu tun. Ich habe sehr schnell gemerkt, daß ich nicht in der Hölle sein konnte.«
Seine fröhliche Unbekümmertheit war so ansteckend und so entwaffnend, daß sie ohne zu merken, was sie tat, ihre Hand hob und sie an seine Stirn legte, um seine Temperatur zu kontrollieren. »Woher wußtest du, daß du nicht in der Hölle warst?«
»Weil«, antwortete er ruhig, »zeitweise ein Engel über mir schwebte.«
»Du hattest Halluzinationen«, scherzte sie.
»Wirklich?«
Diesmal konnte sie den dunklen Klang in seiner Stimme nicht ignorieren und nahm zwar die Hand von seiner Stirn, konnte jedoch ihren Blick nicht von seinem abwenden. »Ganz bestimmt.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte Julie, daß eine der Porzellanenten auf dem Kaminsims neben seiner Schulter in die falsche Richtung schaute, und sie beeilte sich, das in Ordnung zu bringen; anschließend schob sie noch zwei kleinere Enten, die daneben standen, etwas zur Seite.
»Julie«, sagte er mit einer tiefen, samtigen Stimme, die ihren Puls gefährlich beschleunigte, »schau mich an.« Als sie sich umdrehte und ihn erneut anblickte, sagte er mit ruhigem Ernst: »Danke, daß du mir das Leben gerettet hast.«
Gebannt von seinem Tonfall und dem Ausdruck seiner Augen, mußte sie sich räuspern, damit ihr die Stimme nicht versagte. »Danke, daß du versucht hast, meines zu retten.«
Etwas in der unergründlichen Tiefe seiner Augen beunruhigte sie, etwas Loderndes, Faszinierendes, und Julies Puls raste, obwohl er nicht einmal versuchte, sie zu berühren. Um sich abzulenken, die Atmosphäre zu neutralisieren und das Gespräch auf ein unverfänglicheres Gleis zu lenken, fragte sie: »Hast du Hunger?«
Er blieb hartnäckig. »Warum bist du geblieben?«
Seinem Tonfall war anzumerken, daß er kein anderes Thema dulden würde, bevor sie nicht seine Fragen beantwortet hatte. Also ließ sie sich auf das Sofa sinken und blickte starr auf das Seidenblumengesteck auf dem Couchtisch, da sie seinem durchdringenden Blick nicht begegnen wollte. »Ich konnte dich doch da draußen nicht einfach erfrieren lassen, zumal du dein Leben riskiert hast, weil du glaubtest, ich sei ertrunken.« Sie bemerkte, daß zwei der weißen Seidenmagnolien zur Seite hingen, und automatisch folgte sie dem Impuls, sich vorzubeugen und sie zurechtzubiegen.
»Und warum bist du geblieben, nachdem du mich hierher zurück und ins Bett gebracht hast?«
Julie hatte das Gefühl, über ein Minenfeld zu laufen. Selbst wenn sie den Mut aufgebracht hätte, ihn anzusehen und ihm das ins Gesicht zu sagen, was sie für ihn empfand, konnte sie keineswegs sicher sein, daß diese Mitteilung sinnvoll
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