Perfekt
gehalten.« Zack sagte nichts mehr, und Julie glaubte schon, die Geschichte sei damit zu Ende, doch dann fuhr er fort: »Mein Großvater starb ein Jahr nach Justin, und er hat es tatsächlich geschafft, sie noch im Tode zu erniedrigen: Er war mit seinem eigenen Flugzeug nach Mexiko unterwegs, und als es abstürzte, war ein bildschönes junges Mannequin bei ihm. Die Zeitung von Ridgemont gehört den Harrisons, deshalb konnte meine Großmutter diese Tatsache unterdrücken, aber die Mühe war umsonst, denn irgendwie bekamen andere Journalisten Wind davon, und es stand in allen großen überregionalen Zeitungen zu lesen, ganz zu schweigen von Radio und Fernsehen.«
»Warum hat dein Großvater sich nicht einfach scheiden lassen, wenn sie ihm so gleichgültig war?«
»Genau dieselbe Frage habe ich meinem Großvater auch gestellt, bevor ich zum Studium nach Yale ging. Er und ich feierten meine zukünftige Collegekarriere damit, daß wir uns in seinem Büro gemeinsam betranken. Anstatt mir zu sagen, daß mich das einen feuchten Dreck anginge, hatte er gerade genug getrunken, um mir die Wahrheit zu erzählen.« Er griff nach dem Brandyglas und kippte den Rest der Flüssigkeit hinunter, als wolle er damit den bitteren Nachgeschmack wegspülen, den diese Worte in seinem Mund hinterlassen hatten. Dann starrte er geistesabwesend in das leere Glas.
»Was hat er dir erzählt?« fragte sie schließlich.
Er blickte sie an, als hätte er ihre Gegenwart vollkommen vergessen. »Er hat gesagt, daß meine Großmutter die einzige Frau gewesen sei, die er je geliebt habe. Alle Welt glaubte, er hätte sie nur geheiratet, um das Harrison-Vermögen in die Reste seines eigenen einfließen zu lassen; und das schien nicht allzuweit hergeholt, denn meine Großmutter war alles andere als schön. Aber mein Großvater sagte, daß er das nicht so sehen könne, und ich glaube ihm. Mit dem Alter wurde meine Großmutter übrigens auf ihre eigene Art sogar noch schön - sie wirkte sehr aristokratisch.«
Er verstummte wieder, und Julie sagte angewidert: »Warum hast du ihm geglaubt? Ich meine, wenn er sie wirklich geliebt hätte, dann hätte er sie doch nicht derart betrogen.«
Ein verzerrtes Lächeln spielte um seine Lippen. »Du kennst meine Großmutter nicht. Niemand konnte ihren Anforderungen genügen, am allerwenigsten mein leichtlebiger Großvater, und das wußte er. Er erzählte mir, daß er schon ziemlich bald nach der Hochzeit aufgehört hätte, es auch nur zu versuchen. Der einzige, den meine Großmutter jemals billigte, war Justin. Ihn betete sie geradezu an. Du mußt wissen«, erklärte er mit einem Anflug echten Amüsements, »daß Justin das einzige männliche Wesen der ganzen Familie war, das dem Äußeren nach ihrer Familie ähnelte. Er war wie sie blond und mittelgroß, nicht so hochgewachsen - tatsächlich besaß er eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Wir anderen, auch mein Vater, sahen, sowohl von der Größe als auch von den Gesichtszügen her, alle wie echte Stanhopes aus - und ich ganz besonders. Ich war für sie so etwas wie das Abbild meines Großvaters, was mich, wie du dir sicher vorstellen kannst, dem Herzen meiner Großmutter nicht gerade näher brachte.«
Julie hielt dies für ein dummes Vorurteil, sagte aber nur: »Wenn deine Großmutter Justin sehr geliebt hat, dann hätte sie doch sicher auch akzeptiert, daß er schwul ist.«
»Ganz bestimmt nicht! Sie verabscheute Schwäche, jede Art von Schwäche. So etwas hätte sie zutiefst erschüttert und entsetzt.« Er warf ihr einen ironischen Seitenblick zu und fuhr fort: »Kurz und gut, sie hat einfach in die falsche Familie hineingeheiratet. Wie ich schon sagte, waren die Stanhopes schwache Menschen. Sie tranken zuviel, fuhren zu schnell, verpraßten ihr Geld und heirateten dann jemand, der genug hatte, um das dahingeschmolzene Vermögen wiederaufzufüllen. Was morgen war, kümmerte sie nicht, für sie zählte immer nur das eigene Wohlbefinden. Meine Eltern, die auf der Heimfahrt von einer Party starben, bildeten da keine Ausnahme. Sie rasten mit Höchstgeschwindigkeit eine völlig verschneite Straße entlang, ohne an die vier Kinder zu denken, die auf sie angewiesen waren. Das kümmerte sie einfach nicht.«
»Und Alex und Elizabeth, sind die wie eure Eltern?«
Seine Antwort klang nüchtern, sachlich: »Alex und Elizabeth zeigten die typischen Stanhope-Schwächen. Mit sechzehn hatten beide schon reichlich Erfahrung mit Rauschgift und Alkohol gemacht.
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