Perfekt
bestimmt weit gebracht.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und bewegte ihre schlanken Finger, während sie erklärte: »Ich hatte unheimlich fixe und geschickte Finger. Lange Finger.«
»Du hast gestohlen?«
»Ja. Und mit elf Jahren wurde ich verhaftet.«
»Wegen Diebstahls?« stotterte Zack ungläubig.
»Aber nein«, wies sie seine Vermutung indigniert zurück. »Ich war viel zu geschickt und zu schnell, um erwischt zu werden. Sie haben mich und die Gang bei einem versuchten Bruch geschnappt und abgeschleppt.«
Zack starrte sie verblüfft an. Allein schon der Straßenjargon klang aus ihrem Mund so ungewohnt. Und schon war auch seine bestens ausgebildete Vorstellungskraft aktiv geworden, die ihn zu einem so erfolgreichen Regisseur gemacht hatte: Vor seinem geistigen Auge erschien ein Bild, wie sie als kleines Mädchen ausgesehen haben mochte: klein und mager, entschied er, der schlechten und mangelhaften Ernährung wegen ... ein Straßenjungengesicht, das von diesen riesigen blauen Augen beherrscht wurde ... kleines, störrisches Kinn ... dunkles Haar, kurz geschnitten und vermutlich etwas ungepflegt ... ausgesprochen lebhaft.
Bereit, mit der harten, grausamen Wirklichkeit den Kampf aufzunehmen.
Bereit, sich eines Ex-Sträflings anzunehmen ...
Bereit, ihre Meinung zu ändern und bei ihm zu bleiben, all dem zum Trotz, was inzwischen aus ihr geworden war, weil sie jetzt an ihn glaubte ...
Mit einer Mischung aus Lachen, Zärtlichkeit und Bewunderung blickte er sie entschuldigend an. »Meine Fantasie ist eben mit mir durchgegangen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie lächelnd.
»Wobei bist du erwischt worden?«
Sie sah ihn belustigt an. »Ein paar ältere Jungen waren gerade dabei, mir etwas zu zeigen, was ich gestern sehr gut hätte brauchen können. Aber als ich es dann am Blazer ausprobiert habe, konnte ich mich leider nicht mehr genau erinnern, was wohin gehört.«
»Wie bitte?« fragte Zack verständnislos.
»Ich habe gestern versucht, den Blazer kurzzuschließen.«
Zacks Lachen hallte im Raum wider, und bevor Julie darauf reagieren konnte, hatte er schon seine Arme um sie geschlungen, sie zu sich herangezogen und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Lieber Gott«, flüsterte er. »Nur ich konnte es fertigbringen, eine Pfarrerstochter zu entführen, die weiß, wie man ein Auto kurzschließt.«
»Ich bin sicher, daß es mir gestern gelungen wäre, wenn ich nicht alle paar Minuten hätte aufhören müssen, um vor deinem Fenster zu erscheinen«, ließ sie ihn wissen, und er lachte noch mehr.
»Du lieber Himmel!« sagte sie plötzlich. »Ich hätte besser versuchen sollen, dir die Schlüssel aus der Tasche zu klauen!« Ihre nächsten Worte gingen fast in seiner zweiten Lachsalve unter. »Das wäre überhaupt kein Problem gewesen, wenn ich nur gewußt hätte, daß du die Schlüssel in der Hosentasche hast.« Außerordentlich erfreut, daß sie ihn so zum Lachen bringen konnte, legte Julie ihren Kopf an seine Brust, doch sobald er aufgehört hatte zu lachen,, sagte sie: »Jetzt bist du dran. Wo bist du wirklich groß geworden?«
Zack hob langsam den Kopf und legte den Finger unter ihr Kinn. »In Ridgemont, Pennsylvania.«
»Und?« soufflierte Julie, die irgendwie das seltsame Gefühl hatte, daß er der Beantwortung dieser Frage besonderes Gewicht beimaß.
»Und«, sagte er, in ihre fragenden Augen blickend, »die Stanhopes besitzen dort eine große Fabrik, die seit nahezu einem Jahrhundert das wirtschaftliche Rückgrat von Ridgemont und verschiedenen umliegenden Gemeinden bildet.«
Sie schüttelte entrüstet den Kopf. »Du warst reich! Und diese ganzen Geschichten, daß du ganz allein auf dich gestellt warst, ohne Familie, daß du sozusagen in der Rodeoarena zu Hause warst - das ist alles gelogen. Meine Brüder haben diesen Mist geglaubt!«
»Ich entschuldige mich höflichst dafür, deine Brüder in die Irre geführt zu haben«, sagte er, leise über ihren empörten Blick lachend. »Ich hatte wirklich keine Ahnung, was die PR-Abteilung für eine Geschichte erfunden hatte, bis ich sie selber in einem Filmmagazin las, und da war es bereits zu spät, um noch etwas dagegen zu unternehmen -und das hätte mir damals auch gar nichts gebracht. Jedenfalls habe ich Ridgemont verlassen, bevor ich neunzehn wurde, und von da an war ich wirklich ganz allein auf mich gestellt.«
Julie hätte gerne gefragt, warum er seinem Zuhause den Rücken gekehrt hatte, doch für den Moment hielt sie sich an
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