Perfekt
nicht genommen hast, Liebes«, antwortete ihre Mutter endlich. »Du hast es uns doch gesagt.«
»Genau. Du hast ja gesagt, daß du nichts damit zu tun hast«, sagte Ted und blätterte eine Seite seiner Zeitschrift um.
»Ja, aber, aber jetzt müßt ihr es wirklich glauben. Ich meine, ich kann es beweisen!« rief sie und schaute von einem zum anderen.
Mrs. Mathison legte die gelben Rüben beiseite und machte sich daran, Julies Jacke aufzuknöpfen. Sie lächelte das Mädchen an und sagte: »Du hast es doch bereits bewiesen. Du hast uns dein Wort gegeben. Erinnerst du dich?«
»Ja, aber mein Wort ist kein richtiger Beweis. Es ist nicht gut genug.«
Ihre Mutter blickte Julie in die Augen. »Doch, Julie«, meinte sie sanft, aber nachdrücklich, »das ist es. Es ist ein Beweis.« Und während sie weitere Knöpfe von Julies Daunenjacke öffnete, fügte sie hinzu: »Wenn du immer zu allen so ehrlich bist wie zu uns, dann wird dein Wort auch bald vor aller Welt als Beweis gelten.«
»Billy Nesbitt hat das Geld geklaut, um Bier für seine Freunde zu kaufen«, erklärte Julie, trotzig an ihrer These festhaltend. Und dann - sie konnte einfach nicht anders -fragte sie: »Woher wollt ihr eigentlich wissen, daß ich immer die Wahrheit sage und daß ich auch wirklich nichts mehr klaue?«
»Wir wissen das, weil wir dich kennen «, antwortete ihre Pflegemutter mit Nachdruck. »Wir kennen dich, und wir vertrauen dir, und wir lieben dich.«
»Ja, du kleine Göre, das tun wir«, bestätigte Ted grinsend.
»Das tun wir«, Carl blickte von seiner Arbeit auf und nickte.
Zu ihrem großen Entsetzen fühlte Julie, wie ihr die Tränen in die Augen traten, und sie wandte sich schnell ab. Dieser Tag bedeutete einen klaren, unumstößlichen Wendepunkt in ihrem Leben. Die Mathisons hatten ihr ein Heim geboten, ihr Vertrauen und Liebe geschenkt - ihr, und nicht irgendeinem anderen Glückskind. Diese wundervolle, warmherzige Familie hatte sie für immer aufgenommen, nicht nur für eine begrenzte Zeit. Sie wußten alles über sie und liebten sie trotzdem.
Julie sonnte sich in diesem neuen Bewußtsein; sie blühte auf wie eine zarte Knospe, die ihre Blütenblätter zum Sonnenlicht hin öffnet. Voller Begeisterung vertiefte sie sich mit immer größerer Entschlossenheit in ihre Schularbeiten und war selbst überrascht, wie leicht ihr das Lernen fiel. Als das Schuljahr vorüber war, bat sie darum, auch im Sommer Kurse belegen zu dürfen, um den verpaßten Stoff noch schneller aufzuholen.
Julie hatte Geburtstag, und sie feierte ihn zum erstenmal mit der neuen Familie. Sie wurde in das Wohnzimmer gerufen, wo das Mädchen seine allerersten liebevoll eingewickelten Geburtstagsgeschenke auspacken durfte, während seine Familie strahlend dabei zusah. Nachdem das letzte Päckchen ausgewickelt und das letzte, in eiliger Ungeduld beiseite geworfene Geschenkband aufgehoben war, überreichten James und Mary Mathison, Ted und Carl Julie das wertvollste Geschenk von allen.
Es befand sich in einem großen, wenig verheißungsvoll wirkenden braunen Kuvert. Sein Inhalt bestand aus einem längeren Schreiben, dessen Überschrift lautete: ANTRAG AUF ADOPTION.
Julie blickte sie alle an, ihre Augen schwammen in Tränen, und sie drückte das Papier ganz fest an ihre Brust. »Mich?« fragte sie.
Ted und Carl, die ihren plötzlichen Tränenausbruch falsch interpretierten, fingen gleichzeitig an, ängstlich auf sie einzureden: »Wir, und zwar wir alle, wollten es einfach offiziell machen, wir wollten, daß du genauso Mathison heißen kannst wie wir«, sagte Carl, und Ted fügte hinzu: »Ich meine, wenn du das für keine gute Idee hältst, dann mußt du natürlich nicht ...« Er verstummte, als Julie sich in seine Arme warf und ihn dabei fast umrannte.
»Natürlich will ich«, sie kreischte vor Freude. »Natürlich, natürlich, natürlich!«
Nichts konnte ihre Freude trüben. Als ihre Brüder sie an diesem Abend zusammen mit ein paar Freundinnen ins Kino einluden, wo ein Zack-Benedict-Film lief, sagte sie augenblicklich zu. Julie konnte allerdings beim besten Willen nicht nachvollziehen, was ihre Brüder an dem Schauspieler fanden. Trunken vor Glück saß sie dann zwischen den beiden in der dritten Reihe des Bijou-Theaters und sah einen Film, dessen Star ein hochgewachsener, dunkelhaariger Kerl war. Er schien nichts anderes zu tun, als Motorradrennen zu fahren und in irgendwelche Faustkämpfe verwickelt zu werden. Aber er sah dabei die ganze Zeit gelangweilt und
Weitere Kostenlose Bücher