Perfekt
wieder vollständig erholen zu können, wird sie intensive psychologische Betreuung brauchen. Doch wenn sie sich entschließt, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist die Prognose durchaus günstig.«
Julie traute ihren Ohren kaum; der Mann hatte wirklich Nerven - jetzt erzählte er aller Welt, daß sie ein Fall für die Klapsmühle sei! Sie sollte dafür sorgen, daß Ted ihn verklagte!
»Natürlich«, warf der Moderator ein, »gilt das alles nur für den Fall, daß Julie Mathison tatsächlich als Geisel genommen wurde und nicht, wie manche Leute glauben, Benedicts Komplizin ist.«
Dr. Everhardt erwog diesen Einwand und strich sich dabei nachdenklich über den Bart. »Nach allem, was ich über die junge Frau erfahren konnte, schließe ich mich dieser Theorie nicht an.«
»Danke«, sagte Julie laut. »Diese Bemerkung hat Sie soeben vor einer Doppelanklage bewahrt.«
Sie war so vertieft in die Sendung, daß sie das unverkennbare Geräusch rotierender Hubschrauberflügel erst wahrnahm, als sich der Helikopter schon direkt über dem Haus befand. Und auch als sie das Geräusch registrierte, schien es ihr in dieser ruhigen Abgeschiedenheit der Berge so fehl am Platz, daß sie zunächst überrascht und keineswegs ängstlich aus dem Fenster blickte - dann aber traf es sie wie ein Schock. »Zack!« schrie sie, während sie sich umdrehte und losrannte. »Draußen ist ein Hubschrauber! Er fliegt ganz tief!« Sie rannte ihn fast über den Haufen, als er aus dem Schlafzimmer gestürzt kam. »Er kreist um das Haus!« Entsetzt sah sie, daß er die Pistole in der Hand hielt.
»Lauf raus und bleib im Wald!« befahl er, schubste sie die Diele entlang in Richtung Hintertür, riß im Vorbeigehen eine Jacke aus dem Schrank und warf sie ihr zu. »Komm erst wieder in die Nähe des Hauses, wenn ich es dir sage oder wenn sie mich hier rausholen!« Neben ihr herrennend, lud er die Pistole durch und hielt sie dann mit der Sicherheit und Entschlossenheit eines Mannes in der Hand, der damit nicht nur umzugehen wußte, sondern auch bereit war, sie zu benutzen. Als sie die Tür öffnen wollte, schob er sie beiseite, trat allein unter die Tür, blickte nach oben, lauschte und zerrte sie dann vor. »Lauf!«
»Um Himmels willen!« rief Julie und blieb direkt vor der Tür stehen. »Du wirst doch nicht auf das Ding schießen wollen! Es gibt bestimmt...«
»LAUF!« donnerte er.
Julie gehorchte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie, durch den tiefen Schnee stolpernd, an der Hausseite entlang auf die Bäume zulief und dann im Schutz des Waldes das Haus umrundete, bis sie Zack wieder sah, der hinter den Panoramafenstern stand. Der Hubschrauber hatte das Anwesen umkreist, war nach links abgebogen, dann aber wieder über das Haus geflogen. Einen Augenblick lang dachte sie, daß Zack die Waffe hochhielt, um durch das Fenster zu schießen, dann erkannte sie, daß er ein Fernglas vor die Augen hielt und beobachtete, wie der Hubschrauber ein letztes Mal über dem Haus kreiste und sich dann entfernte. Ihre Knie gaben nach, und sie sank erleichtert in den Schnee, doch das Bild von Zack, wie er sie, die Waffe in der Hand, die Diele entlangschubste, hatte sich ihr unauslöschlich eingeprägt. Es glich einer Szene aus einem seiner Filme. Ihr drehte sich der Magen um. Sie lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum, schluckte und versuchte, ihr Frühstück bei sich und ihre Furcht in Grenzen zu halten.
»Alles in Ordnung«, sagte Zack, der durch den Schnee auf sie zugestapft kam, doch sie bemerkte den Griff der Pistole, die in seinem Hosenbund steckte. »Es waren Skifahrer, die wohl zu tief ins Weinglas geschaut haben und viel zu niedrig gekreist sind.«
Sie blickte zu ihm auf, war aber nicht fähig, sich zu rühren.
»Komm«, sagte er ruhig. »Gib mir deine Hand.«
Julie schüttelte den Kopf und versuchte, mit dieser Bewegung ihre lähmende Furcht abzuschütteln und ihn gleichzeitig auf Distanz zu halten. »Schon gut. Ich brauche keine Hilfe. Ich bin okay.«
»Du bist nicht okay!« sagte er entschieden, beugte sich vor, packte sie an den Armen und wollte sie hochheben. »Du bist kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.«
Die Übelkeit und der Schwindel ließen ein wenig nach, und sie schaffte es, ein unsicheres Lächeln aufzusetzen, während sie sich aus seinem Griff befreite. »Mein Bruder ist ein Cop, erinnerst du dich? Der Anblick einer Pistole ist nichts Neues für mich. Ich war nur ... einfach nicht darauf vorbereitet.«
Zurück im Haus
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