Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Perfekt

Titel: Perfekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
Vom Netzwerk:
herumzuhängen. Die Pflegeeltern, bei denen ich wohnte, hatten mit den anderen Kindern alle Hände voll zu tun und merkten es erst, als ich von der Polizei aufgegriffen wurde. Das war, als ich schon in der vierten Klasse und hoffnungslos zurückgeblieben war.«
    »Und deshalb hast du den Entschluß gefaßt, dich auf das Kurzschließen von Autos und auf Taschendiebstahl zu spezialisieren - bis die Mathisons dich aufnahmen und sich um dich kümmerten?«
    Sie schenkte ihm ein verlegenes Lächeln und nickte. Dann ging sie zu dem Stuhl zurück, auf dem sie vorher gesessen hatte. »Vor ein paar Monaten habe ich zufällig entdeckt, daß die Frau des Hausmeisters unserer Schule nicht lesen kann. Ich fing an, sie zu unterrichten, und es dauerte nicht lange, bis sie eine weitere Frau mitbrachte, und die wiederum schleppte eine andere an. Inzwischen habe ich sieben Schülerinnen, und wir mußten in ein richtiges Klassenzimmer umziehen. Wenn sie das erste Mal zum Unterricht kommen, glauben sie nicht, daß ich ihnen wirklich helfen kann. Sie sind deprimiert, niedergeschlagen, verschämt und felsenfest davon überzeugt, daß sie einfach strohdumm sind. Die schwerste Aufgabe ist es, ihnen genau das auszureden.« Leise lachend fügte sie hinzu: »Mit Peggy Listrom habe ich gewettet, einen ganzen Monat lang für sie als Babysitterin arbeiten zu wollen, wenn sie bis zum Frühjahr nicht in der Lage sein sollte, alle Straßenschilder von Keaton zu lesen.«
    Zack wartete, bis sie neben ihm stand, und verbarg dann seine Gefühle hinter einem Scherz: »Das klingt mir aber ziemlich riskant.«
    »Nichts wäre schlimmer, als sie weiterhin als Analphabetin dahinvegetieren zu lassen. Außerdem habe ich die Wette schon so gut wie gewonnen.«
    »Sie kann die Straßenschilder lesen?«
    Julie nickte, und Zack bemerkte, wie ihre Augen vor Begeisterung zu glänzen begannen. »Oh, Zack,, du kannst dir einfach nicht vorstellen, was für ein Gefühl es ist, wenn sie anfangen zu lernen! Sie halten sich immer noch für dumm, aber dann, ganz plötzlich - eines Tages - merken sie, daß sie tatsächlich einen kurzen Satz lesen und verstehen können, und dann blicken sie mich mit einem so unbeschreiblichen Staunen an - es ist, als ob ich allen Ernstes ein echtes Wunder vollbracht hätte.«
    Zack schluckte, um den ungewohnten Kloß in seinem Hals loszuwerden, und bemühte sich um einen möglichst unbekümmerten Tonfall: »Sie sind ein Wunder, Miß Mathison.«
    Sie lachte. »Nein, das bin ich ganz sicher nicht, aber ich habe so ein Gefühl, daß Debby Sue Cassidy sich als eines entpuppen wird.« Da er sie interessiert ansah, fuhr sie fort: »Sie ist dreißig und sieht aus wie die geborene Bibliothekarin - glattes braunes Haar, ein ernstes, nachdenkliches Gesicht -, und dabei arbeitet sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahr als Dienstmädchen für Mrs. Neilson. Sie ist wirklich clever, ausgesprochen sensibel und sehr fantasiebegabt. Und sie hat vor, eines Tages ein Buch zu schreiben.« Zacks Grinsen falsch deutend, fügte sie hinzu: »Lach nicht. Ich traue es ihr wirklich zu. Für eine Analphabetin verfügt sie schon jetzt über einen verblüffenden Wortschatz. Sie hört sich Literatur auf Kassetten an, die sie in der Bücherei ausleiht. Mrs. Neilson hat es meinem Vater gegenüber erwähnt und hat auch berichtet, daß Debby Sue den Neilson-Kindern, als die noch kleiner waren, stundenlang spannende Geschichten erzählt hat. Deshalb war ich übrigens an dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, auch in Amarillo«, schloß Julie, während sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Notizblock zuwandte. »Ich mußte Geld für spezielle Lehrmittel auftreiben. Sie sind im Grunde zwar nicht teuer, aber es kommt doch immer einiges zusammen.«
    »Und, hast du das Geld bekommen?«
    Sie nickte, griff nach dem Bleistift und lächelte ihn über die Schulter an.
    Nicht länger in der Lage, sie nicht zu berühren, legte Zack seine Hand auf ihre Schulter und kniff sie zärtlich ins Ohr. Sie lachte, legte ihren Kopf schief und rieb ihre zarte Wange an seinem Handrücken.
    Diese einfache, liebevolle Geste ließ Zacks Hochstimmung mit einem Schlag verfliegen, weil sie ihn gewaltsam daran erinnerte, daß es nach dem heutigen Abend keine vertraulich-liebevollen Gesten irgendwelcher Art mehr geben würde. Er hätte sie schon heute früh gehen lassen sollen, aber das hatte er nicht übers Herz gebracht - er hatte sie nicht gehen lassen können in dem Bewußtsein, daß sie ihn dann zeit ihres Lebens

Weitere Kostenlose Bücher