Perfekt
Ted mir vergibt. Nur habe ich leider nicht den blassesten Schimmer, wie ich das anstellen soll. Abgesehen von allem anderen meidet er mich nämlich wie die Pest.«
Julie warf ihr ein Lächeln zu, während sie sich erhob und anfing, das Geschirr auf die Tabletts zurückzustellen. »Ich glaube, in dieser Hinsicht kann ich etwas für dich tun. Wie wäre es, wenn du mir bei meinem Behinderten-Sportprogramm hilfst? Ich bin immer auf der Suche nach Freiwilligen, die bereit sind, sich in der Turnhalle von Rollstühlen umfahren zu lassen und über herumliegende Krücken zu fallen.«
»Das paßt zwar nicht besonders gut zu meinem Kunstgeschichtsstudium, aber es klingt wunderbar«, scherzte Katherine, nahm ein Tablett und ging mit Julie in Richtung Küche, »und ich nehme das Angebot gerne an. Aber was hat das mit Ted zu tun?«
»Wirst du gleich sehen. Ted kommt zweimal in der Woche - manchmal sogar noch öfter -, um mit den Kindern zu arbeiten. Abgesehen davon könntest du mir auch dabei helfen, meinen Damen das Lesen beizubringen. Du kannst dir nicht vorstellen, wieviel Freude das macht.«
In der riesigen Küche stellte Julie ihr Tablett auf einer Edelstahl-Arbeitsplatte ab, drehte sich dann um und blickte auf die überdimensionalen Herdplatten und Backöfen, die immer dann benutzt wurden, wenn Katherines Eltern eine ihrer berühmten Partys gaben. Völlig in Gedanken versunken, merkte sie nicht, daß das andere Mädchen dicht hinter ihr stand, bis Katherine leise sagte: »Julie?« Sie drehte sich um und fand sich in einer engen Umarmung gefangen. »Ich habe dich so vermißt!« flüsterte Katherine und zog sie noch fester an sich. »Ich möchte mich auch bei dir dafür bedanken, daß du mit deinen Briefen und Anrufen und deinen Besuchen in Dallas unsere Freundschaft am Leben gehalten hast. Ich wollte dir schon immer die Wahrheit über meine Ehe mit Ted erzählen, aber ich hatte solche Angst, daß du mich dann hassen würdest.«
»Ich könnte dich niemals hassen«, sagte Julie und drückte ihre Freundin an sich.
»Du bist der liebste und beste Mensch, den ich kenne.«
Julie befreite sich aus der Umarmung und verdrehte die Augen. »Ganz recht«, lachte sie.
»Doch, das bist du«, beharrte Katherine. »Ich wollte früher immer so sein wie du.«
»Sei froh, daß dir das nie gelungen ist«, entgegnete Julie und wurde plötzlich ernst, als sie an Zack dachte. »Wenn du so wärst wie ich, hättest du Ted heute abend damit überfallen, wie sehr du ihn liebst, und er hätte dich eiskalt stehenlassen und dir das Herz gebrochen.« Katherine setzte an, etwas Tröstliches zu sagen, doch Julie, der schon wieder die Tränen in den Augen standen, schüttelte energisch den Kopf, um sie daran zu hindern. »In ein paar Tagen bin ich wieder okay. Im Augenblick bin ich einfach nur müde und erschöpft, aber ich werde ihn schon bald vergessen haben, und dann ist alles wieder gut. Du wirst schon sehen. Aber jetzt erst einmal: Gute Nacht.«
48
Katherine schob ein Blech mit Frühstücksbiskuits zum Aufbacken in den Ofen und blickte überrascht auf, als es klingelte und die Sprechanlage an der Küchenwand zu blinken begann. Sie wischte sich die Hände ab und drückte den Knopf für die Sprechverbindung zum vorderen Tor. »Hallo?«
»Spreche ich mit Miß Cahill?«
Diese Frage kühl ignorierend, sagte sie: »Wer ist da?« »Paul Richardson«, antwortete die Stimme ungeduldig. »Ist Julie Mathison bei Ihnen?«
»Mr. Richardson«, sagte Katherine unfreundlich, »es ist halb acht Uhr morgens! Julie und ich sind noch nicht angezogen. Fahren Sie zurück, und kommen Sie zu einer zivilisierten Zeit wieder, sagen wir gegen elf. Ich hätte eigentlich erwartet, daß das FBI seinen Agenten bessere Manieren beibringt«, fügte sie hinzu und starrte dann ungläubig auf die Sprechanlage. Wenn sie recht gehört hatte, quittierte er ihre tadelnde Bemerkung alles Ernstes mit leisem Lachen.
»Unzivilisiert oder nicht, ich muß darauf bestehen, Julie ... Miß Mathison sofort zu sprechen.«
Katherine blieb fest. »Und wenn ich Ihnen nicht aufmache?«
»In diesem Fall würde ich mich gezwungen sehen«, sagte er scherzend, »mit Hilfe meines bewährten Dienstrevolvers das Türschloß zu zerschießen.«
»Wenn Sie das tun«, sagte Katherine und drückte widerstrebend den Knopf, der das Tor öffnete, »dann sollten Sie Ihren bewährten Dienstrevolver gleich entsichert lassen, weil Sie gleich in die Mündungen von zwei Gewehren meines Vaters blicken werden,
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