Perfekt
Gespräch; er hatte das Gefühl, in einem Fantasieland zu weilen, das von zwei wunderschönen Feen in pastellfarbenen Morgenmänteln mit vom Schlaf zerzausten Haaren regiert wurde, die in heiteren Erinnerungen über vergangene Zeiten schwelgten. Katherine Cahill konnte man wirklich eine umwerfende Schönheit nennen, während Julie Mathison ganz einfach hübsch war, doch trotzdem war es Julie, die seine Aufmerksamkeit fesselte. Er sah zu, wie die Sonne durch das Fenster fiel und goldene Lichter auf ihr Haar warf, studierte ihr ansteckendes Lächeln, die Zartheit ihrer Haut, die überraschende Dichtheit ihrer Wimpern. »Mr. Richardson?« sagte sie leise, ohne von etwas aufzublicken, das sie gerade in winzige Stückchen schnitt.
»Nennen Sie mich doch Paul«, sagte er.
»Paul«, korrigierte sie sich.
Seinen Namen aus ihrem Mund zu hören, gefiel ihm ganz außerordentlich. »Ja?«
»Warum starren Sie mich an?«
Paul fühlte sich ertappt und sagte schnell das erstbeste, das ihm in den Sinn kam: »Ich habe überlegt, was Sie da kleinschneiden.« Er sah, wie ihr langer, schlanker Finger auf etwas zeigte, was sich unschwer als ganz gewöhnliche Knoblauchzehe erkennen ließ. »Das da meinen Sie?« fragte sie, hob dabei den Kopf und sah ihn mit einem derart amüsierten Blick an, daß er sich wie ein alberner Schuljunge vorkam, den man bei einer ganz durchsichtigen Lüge ertappt hatte. »Ja«, bluffte er. »Genau das. Was ist das?«
Er beobachtete, wie ihre Lippen lächelnd die Worte formten, und hörte sie mit zuckersüßer Stimme sagen: »Das ist Schierling.«
»Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, es sei Knoblauch.«
Ihr überraschtes Lachen klang wie Musik in seinen Ohren, und als sie damit aufhörte, lächelten sie einander an. »Sie haben ein ganz bezauberndes Lächeln«, sagte er leise, als sie sich wieder dem Schneidbrett zuwandte.
Sie blickte ihn durch ihre dichten, dunklen Wimpern an. »Genau das richtige, um mir einen Ehrenplatz im Verbrecheralbum des FBI zu sichern, meinen Sie nicht?«
Pauls Lächeln schwand augenblicklich. »Hat Benedict Kontakt zu Ihnen aufgenommen? Sind Sie deswegen gestern ohne ein Wort zu sagen verschwunden und hierhergekommen? Sprechen Sie deswegen heute früh schon zum zweitenmal davon, verhaftet zu werden?«
Sie verdrehte die Augen und lachte. »Sie haben wirklich eine blühende Fantasie.«
»Verdammt!« sagte er, stand auf und trat, ohne recht zu bemerken, was er tat, dicht neben sie. »Bitte keine Spielchen, Julie! Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, erwarte ich eine plausible Antwort darauf.« Er warf Katherine einen Blick über die Schulter zu. »Hätten Sie etwas dagegen, uns einen Moment allein zu lassen?«
»Ja, ehrlich gesagt, ich habe etwas dagegen. Sie glauben doch nicht ernstlich, daß Julie diesem Mann bei seiner Flucht aus dem Gefängnis geholfen hat?« Das klang äußerst ungnädig.
»Nein«, antwortete er bissig, »vorausgesetzt, sie gibt mir keine Veranlassung, meine Meinung darüber zu ändern. Allerdings bin ich mir keineswegs völlig sicher, ob sie Benedict nicht vor uns schützen würde, wenn sie es könnte.«
»Wollen Sie Julie vielleicht wegen etwas verhaften, was sie noch gar nicht getan hat?« brachte Katherine die Sache auf den Punkt.
»Ich habe nicht im‘ geringsten die Absicht, sie zu verhaften! Ganz im Gegenteil. Ich tue verdammt noch mal mein möglichstes, um zu verhindern, daß irgend jemand anderes auf den Gedanken kommt.«
Julie schien überrascht. »Haben Sie das wirklich getan?«
Paul zögerte; er spürte, wie sein Ärger verflog. Der Ausdruck in ihren Augen verwirrte ihn. Dann nickte er. »Ja.«
Einen Moment lang sah sie ihn an, und er bewunderte die Wärme ihres Lächelns, dann wandte sie sich Katherine zu und scherzte: »Du kannst den Schierling weglassen!«
Das Frühstück war harmonisch, dachte Paul, als er aufstand und sich noch einmal Kaffee nachschenkte, während Julie und Katherine das Geschirr in die Spülmaschine räumten. Eine außerordentlich angenehme Mahlzeit - und er wußte genau, welcher Tatsache er das zu verdanken hatte. Ihm war nämlich klargeworden, daß Julie Mathison, wenn sie sich einmal dazu entschieden hatte, jemanden zu mögen, das aus ganzem Herzen und rückhaltlos tat. Von dem Augenblick an, in dem er ihr erzählt hatte, daß er sich bemühte, ihre Verhaftung zu verhindern, hatte sie ihn mit echter Wärme und ungekünstelter Freundlichkeit behandelt; hatte gelächelt, wenn er mit ihr sprach, und ihn
Weitere Kostenlose Bücher