Perfekt
instinktiv fühlte, daß ein ablehnender Kommentar die Frau nur noch mehr gegen Zack aufbringen würde, beschloß Julie, all ihren Stolz über Bord zu werfen und alles auf eine Karte zu setzen. »Er hat mich nicht gebeten, herzukommen und Ihnen zu sagen, was er für Sie empfindet, Mrs. Stanhope. Er hat vielmehr etwas getan, was seinen Respekt und seine Liebe für Sie noch viel deutlicher zum Ausdruck bringt.« Den feindseligen Ausdruck auf ihrem Gesicht ignorierend, holte Julie tief Luft und fuhr fort: »Ich hatte nichts von ihm gehört, bis ich vor anderthalb Wochen einen Brief von ihm bekam. Er schrieb mir, weil er befürchtete, ich sei schwanger, und in dem Brief bat er mich, keine Abtreibung vornehmen zu lassen, falls ich wirklich ein Kind von ihm erwartete. Er schrieb vielmehr, ich sollte sein Baby zu Ihnen bringen, damit Sie es aufziehen, denn Sie hätten sich nie im Leben gescheut, Verantwortung zu übernehmen, und Sie würden sich der Verantwortung auch diesmal nicht entziehen. Er meinte, er würde Ihnen vorher einen Brief schreiben, in dem er Ihnen alles erklären wollte ...«
»Sollten Sie wirklich schwanger von ihm sein, eine Ahnung von Vererbungslehre haben und auch nur das geringste Verantwortungsgefühl besitzen«, unterbrach seine Großmutter sie wutentbrannt, »dann lassen Sie das Kind abtreiben! Aber ganz gleich, was Sie tun, ich würde niemals seinen Balg unter meinem Dach aufnehmen.«
Julie zuckte unter der Bösartigkeit dieser Worte zusammen. »Was sind Sie nur für ein schrecklicher Mensch«, sagte sie.
»Er ist ein schrecklicher Mensch, Miß Mathison, und Sie sind auf ihn reingefallen. Zwei Menschen, die ihn geliebt haben, hat er schon umgebracht. Sie sollten froh sein, daß Sie nicht sein drittes Opfer wurden!«
»Er hat seine Frau nicht getötet, und ich weiß nicht, wovon Sie reden, wenn Sie sagen, daß zwei Menschen ...«
»Ich spreche von seinem Bruder! So sicher wie Kain Abel auf dem Gewissen hat, so sicher hat dieser abartige Kerl Justin umgebracht. Er hat ihn nach einem Streit in den Kopf geschossen!«
Mit derart grausamen Lügen konfrontiert, konnte Julie sich nicht länger beherrschen. Vor Wut und Entsetzen zitternd, rief sie: »Sie lügen! Ich weiß genau, wie Justin gestorben ist, und auch warum! Wenn Sie solche Sachen über Zack sagen, um mich davon abzubringen, Zacks Baby zur Welt zu bringen, dann können Sie sich die Mühe sparen! Ich bin nicht schwanger, und wenn ich es wäre, würde ich mein Kind auch nicht eine Sekunde lang mit Ihnen unter einem Dach wohnen lassen! Kein Wunder, daß nicht einmal Ihr eigener Mann Ihnen treu bleiben konnte und sich mit anderen Frauen einließ. O ja, auch darüber weiß ich Bescheid!« schrie sie, als Mrs. Stanhopes finsterer Blick für einen Moment einem Ausdruck der Überraschung wich. »Zack hat mir alles erzählt. Er hat mir erzählt, daß sein Großvater ihm gesagt hat, Sie seien die einzige Frau, die er jemals geliebt habe, obwohl alle Welt glaubte, er hätte Sie nur Ihres Geldes wegen geheiratet. Ihr Mann hat Zack erzählt, daß er ganz einfach Ihren hohen Ansprüchen nicht genügen konnte und daß er irgendwann einmal, nachdem Sie verheiratet waren, aufgegeben hat, das zu versuchen. Was ich nicht verstehe«, schloß Julie voller Verachtung, »ist, warum Ihr Mann Sie geliebt und warum Zack Sie bewundert hat! Sie haben kein Gefühl! Sie haben kein Herz! Kein Wunder, daß der arme Justin nicht den Mut aufbrachte, Ihnen zu sagen, daß er schwul war! Nicht Zack ist ein schrecklicher Mensch, Sie sind es!«
»Und Sie«, konterte Mrs. Stanhope, »Sie sind ihm verfallen!« Die Tatsache, daß Julie ihre Beherrschung verloren hatte, schien die ältere Frau angestrengt zu haben, denn ihr Gesicht verlor alle Starrheit, und ihre Befehlsstimme war plötzlich von Mattigkeit gezeichnet. »Setzen Sie sich wieder, Miß Mathison.«
»Nein, ich gehe jetzt.«
»Wenn Sie das tun, dann haben Sie Angst vor der Wahrheit. Ich habe Sie empfangen, weil ich gesehen habe, wie Sie vor den Fernsehkameras für ihn eingetreten sind und weil ich wissen wollte, was Sie zu mir führen könnte. Ich hatte Sie für eine Opportunistin gehalten, die alles daransetzen würde, um im Rampenlicht zu bleiben, und ich hatte geglaubt, Sie wären hergekommen, um etwas zu erfahren, was Ihnen in dieser Hinsicht weiterhilft. Inzwischen ist mir klargeworden, daß Sie eine junge Frau mit beachtlichem Mut und einem starken Willen sind und daß es lediglich Ihr fehlgeleiteter
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