Perfekt
Justin in den Kopf getroffen. Julie registrierte die Worte, die sie las, doch ihr Verstand weigerte sich, ihnen zu glauben. Sie riß ihren Blick von dem Zeitungsausschnitt los, sah Mrs. Stanhope entsetzt an und sagte: »Ich kann das nicht glauben! Eine dieser Zeitungsmeldungen, die nicht stimmen ...«
Mrs. Stanhope starrte sie kühl an, suchte dann mit teilnahmsloser Miene ein zusammengeheftetes Bündel Papiere aus der Mappe und warf es Julie zu. »Dann lesen Sie die Wahrheit, wie er sie selber erzählt hat.«
Julie zwang sich, ihren Blick von dem ausdruckslosen Gesicht der Frau abzuwenden, und schaute auf das Deckblatt der Akte, berührte sie jedoch nicht. Sie hatte Angst davor. »Was ist das?«
»Der Polizeibericht mit einer Abschrift des Protokolls seiner Vernehmung.« Widerstrebend streckte Julie eine Hand aus, nahm die Papiere und schlug die Akte auf. Es war alles da: Zacks wortwörtliche Beschreibung des Tathergangs, wie ein Stenograf sie während seiner Aussage mitgeschrieben hatte. Zack hatte genau das ausgesagt, was der Zeitungsbericht meldete. Julie ließ sich auf das Sofa sinken und las im Sitzen weiter. Sie las den Bericht von Anfang bis Ende durch, und dann las sie die Zeitungsausschnitte, denn sie suchte etwas, irgend etwas, das den Widerspruch zwischen dem, was Zack zu ihr, und dem, was er allen anderen gesagt hatte, erklären konnte.
Als sie sich schließlich dazu durchrang, ihren Blick von den Papieren zu lösen und Mrs. Stanhope ins Gesicht zu sehen, war ihr klargeworden, daß Zack entweder sie angelogen ... oder aber wissentlich eine falsche Aussage gemacht hatte, obwohl er vereidigt worden war. Dennoch versuchte sie krampfhaft, eine Möglichkeit zu finden, ihn in Schutz zu nehmen. Obwohl ihr Hals wie zugeschnürt war, nahm sie alle Kraft zusammen, um so überzeugend wie möglich zu klingen: »Ich weiß nicht, warum Zack mir erzählt hat, daß Justin Selbstmord begangen hat, aber wie auch immer, es war jedenfalls nicht Zacks Schuld. Dieser Bericht bestätigt, daß es ein Unfall war. Ein Unfall! Er hat es selber ...«
»Es war kein Unfall«, unterbrach Mrs. Stanhope sie heftig. Die Knöchel ihrer Hand wurden weiß, als sie sich stärker auf ihren Stock stützte. »Sie können die Wahrheit nicht ignorieren, wenn sie so deutlich vor Ihnen liegt: Er hat Sie genauso angelogen, wie er alle anderen während der Vernehmung angelogen hat!«
»Hören Sie auf!« Julie sprang auf und schleuderte die Akte auf das Sofa, als würde sie sich daran die Finger verbrennen. »Es gibt eine Erklärung dafür! Das weiß ich. Zack hat mich in Colorado nicht angelogen. Ich hätte es gemerkt, wenn er gelogen hätte, ob Sie das glauben wollen oder nicht!« Sie suchte verzweifelt nach einer Erklärung und fand auch schnell eine äußerst logische. »Justin hat Selbstmord begangen«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Er war schwul, und er sagte es Zack, kurz bevor er sich umbrachte, und dann hat Zack - dann hat Zack aus irgendeinem Grund die Schuld dafür auf sich genommen ... Wahrscheinlich, damit niemand auf die Idee käme, nach irgendwelchen Motiven für einen Selbstmord zu suchen ...«
»Sie kleine Närrin!« sagte Mrs. Stanhope mit genausoviel Mitleid wie Verärgerung in der Stimme. »Justin und Zack hatten sich gestritten, kurz bevor der Schuß losging. Sein Bruder Alex hörte den Streit, und auch Foster.« Sie wandte sich an den Butler und sagte befehlend: »Erzählen Sie dieser fehlgeleiteten jungen Frau, worüber die beiden sich stritten.«
»Sie hatten Streit wegen einem Mädchen, Miß Mathison«, sagte Foster ohne zu zögern. »Justin hatte Miß Amy Price zum Weihnachtsball in den Country Club eingeladen, und Zack wollte ebenfalls mit ihr hingehen. Justin bot an, die Einladung zurückzunehmen, aber Zack wollte nicht auf ihn hören. Er war unglaublich wütend.«
Julie schluckte schwer und griff nach ihrer Handtasche, doch sie versuchte noch immer, Zack zu verteidigen. »Ich glaube keinem von Ihnen.«
»Sie ziehen es also vor, einem Mann zu trauen, von dem Sie wissen, daß er entweder Sie oder die Polizei und die Presse angelogen hat. Sehe ich das richtig?«
»Ja!« rief Julie. Sie wollte nur noch weg. »Leben Sie wohl, Mrs. Stanhope.« Sie lief so rasch durch den Raum, daß Foster sich beeilen mußte, um vor ihr die Tür zu erreichen und sie ihr aufzuhalten.
Ihre Absätze verursachten auf dem Schieferboden des Foyers ein klickendes Geräusch, und sie war schon fast an der Haustür angelangt, als sie Mrs.
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