Perfekt
residierte, das malerische kleine Tal. Der Mann von der Autovermietung hatte das Gebäude nicht zu Unrecht als »Wahrzeichen der Region« bezeichnet. Während sie nach den auffälligen Backsteinpfosten Ausschau hielt, die die Auffahrt zu dem Besitz markieren sollten, hatte Julie Muße, die Gegend zu bewundern. Und als sie schließlich nach links in den Weg abbog, der sich durch uralten, sehr gepflegten Baumbestand zur Hügelkuppe hinaufschlängelte, da erinnerte sie sich daran, was Zack ihr über den Tag erzählt hatte, an dem er diesen Ort verließ. »In diesem Augenblick wußte ich, daß ich für immer enterbt war. Ich legte die Autoschlüssel auf den Tisch und ging die Auffahrt hinunter zum Highway.« Es war ein langer Weg gewesen, das merkte Julie jetzt, als sie sich in einem Gefühl trauriger Nostalgie umblickte und sich vorzustellen versuchte, wie er sich an jenem Tag wohl gefühlt hatte.
Oben auf der Hügelkuppe angekommen, verbreiterte sich der Weg und führte in einem weiten Bogen durch vorbildlich gepflegte Rasenflächen mit riesigen Bäumen, die jetzt im Winter in den Himmel ragten. Der mächtige Steinbau wirkte streng und abweisend, und als sie auf der gepflasterten Zufahrt vor den Treppen anhielt, fühlte sie sich seltsam beklommen. Sie hatte vorher nicht angerufen, weil sie den Grund ihres Besuchs nicht am Telefon erklären und Zacks Großmutter auch keine Gelegenheit geben wollte, sie von vornherein abzuweisen. Julie nahm ihre Tasche und ihre Handschuhe, stieg aus und blieb einen Moment lang stehen, um sich umzublicken. Hier war Zack aufgewachsen, und sie hatte den Eindruck, als habe dieser Ort seinen Charakter geprägt; irgendwie erinnerte er sie an ihn, er wirkte ein bißchen wie er - gewaltig, stolz und beeindruckend.
Dieser Gedanke gab ihr Zuversicht, als sie die Stufen zu dem breiten Portal hinaufstieg. Sie unterdrückte Ein vom Alter gekrümmter Butler in dunklem Anzug mit Fliege öffnete die Tür. »Ich bin Julie Mathison«, sagte sie, »und würde gerne Mrs. Stanhope sprechen, wenn sie zu Hause ist.« Seine struppigen weißen Brauen hoben sich überrascht, als Julie ihren Namen nannte, doch er gewann seine Fassung fast augenblicklich zurück und ließ sie in ein großes, aber düsteres Foyer mit einem Fußboden aus grünem Schiefer eintreten. »Ich werde nachfragen, ob Mrs. Stanhope Sie empfangen will. Sie können hier warten«, fügte er hinzu und deutete auf einen sehr unbequem wirkenden antiken Stuhl mit hoher, gerader Rückenlehne, der am linken hinteren Ende des Foyers neben einem kleinen Tisch stand. Julie setzte sich, die Handtasche auf den Knien, und fühlte sich in der drückenden, unfreundlichen Atmosphäre des Foyers wie ein lästiger Bittsteller. Irgendwie hatte sie das sichere Gefühl, daß ungeladene Gäste genau diesen Eindruck gewinnen sollten. Sie versuchte sich auf das, was sie sagen wollte, zu konzentrieren und starrte auf das Landschaftsgemälde eines deutschen Meisters, das in einem düsteren, reichverzierten Rahmen an der gegenüberliegenden Wand hing. Dann, wandte sie sich nervös um, als der Butler ins Foyer geschlurft kam. »Madame wird Ihnen fünf Minuten ihrer Zeit widmen,« verkündete er.
Julie war entschlossen, sich von dem wenig erfolgversprechenden Anfang nicht entmutigen zu lassen, und folgte ihm durch einen breiten Flur, an dessen Ende er eine Tür öffnete. Sie trat in einen großen Raum mit einem prasselnden Kaminfeuer und Perserteppichen auf dunklem poliertem Holzboden. Gegenüber dem Kamin, mit dem Rücken zu ihr, standen zwei hochlehnige, etwas verblichene Polstersessel, und da sie niemand auf dem Sofa sitzen oder im Raum stehen sah, nahm Julie irrtümlich an, daß sie allein wäre. Sie ging weiter zu einem Tisch, auf dem eine Menge Fotografien in Silberrahmen standen, um die Gesichter von Zacks Verwandten und Ahnen zu betrachten, als sie sah, daß an der Wand zu ihrer Linken eine Reihe großer Porträts hing. Fasziniert steuerte sie darauf zu und erkannte, daß Zack nicht übertrieben hatte - seine Ähnlichkeit mit vielen Männern der Stanhope-Familie war verblüffend. Da ertönte hinter ihr eine scharfe Stimme: »Sie haben soeben die erste von Ihren fünf Minuten vergeudet, Miß Mathison.«
Julie erschrak und ging um die Stühle
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