Perfekt
unterzeichnen. Dann geht die Akte in die Landeshauptstadt Austin, wo sie von einem Richter des Berufungsgerichts unterschrieben werden muß, und dann müßte Mr. Benedict eigentlich gegen Kaution freikommen.«
»Gegen Kaution?« wiederholte Matt mit schneidender Stimme. »Wofür denn eine Kaution?«
Dieser Ton, der bei Farrells Geschäftspartnern ebenso bekannt wie gefürchtet war und häufig zu einem wirren Gestammel führte, ließ auch Seiling zusammenzucken. »Unschuldig oder nicht, jedenfalls ist er aus dem Gefängnis geflohen und hat damit gegen das texanische Gesetz verstoßen. Genaugenommen hat er sich also strafbar gemacht. Wenn wir nicht sehr viel Glück haben und sehr überzeugend wirken, kann der zuständige Staatsanwalt in Amarillo darauf bestehen, daß er einige Zeit braucht, um dieses Problem zu überdenken. Wir werden darauf hinweisen, daß die Behandlung, der er in Mexiko ausgesetzt war und die von der Presse ja weiß Gott ausführlich dokumentiert wurde, mehr als genug Strafe dafür sein dürfte. Und dann hängt es von der Laune des Staatsanwaltes ab, ob er damit einverstanden ist und dem Richter empfiehlt, auf eine Kaution zu verzichten und die ganze Angelegenheit als erledigt zu betrachten - oder ob er sich auf die Hinterbeine stellt.«
»Dann sorgen Sie dafür, daß er gute Laune hat, oder lassen Sie sich etwas anderes einfallen«, drohte Matt unversöhnlich.
»In Ordnung«, entgegnete Seiling.
»Sollten die Behörden nicht augenblickliche Kooperationsbereitschaft zeigen, will ich, daß Sie die Presse über alles informieren. Das wird die Sache dann schon ins Rollen bringen.«
»Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Meine Partner und ich fliegen morgen früh nach Amarillo.«
»Heute abend, nicht morgen«, sagte Matt. »Ich treffe Sie dann dort.« Er legte auf, bevor Seiling irgendwelche Einwände Vorbringen konnte, und drückte den Knopf seiner Gegensprechanlage. »Eleanor«, wies er seine Sekretärin an, »sagen Sie für morgen und übermorgen alle Termine ab.«
In Los Angeles ließ der Rechtsanwalt den Hörer auf die Gabel sinken. Mit gerunzelter Stirn informierte er seine Partner und schloß: »Solltet ihr euch schon mal gefragt haben, was Benedict und Farrell miteinander gemein haben -es ist mir eben klargeworden: Sie sind zwei eiskalte Kunden.«
»Aber sie zahlen immense Vorschüsse«, scherzte einer der Anwälte.
Seiling nickte und wurde augenblicklich wieder ernst. »Fangen wir an, uns unseren zu verdienen, Gentlemen«, erklärte er und drückte den Knopf für Leitung drei. »Mr. Wesley«, sagte er und brachte es fertig, gleichzeitig unnachgiebig und freundlich zu klingen. »Ich bin mir bewußt, daß Ihr Amtsvorgänger Alton Peterson seinerzeit vor fünf Jahren für den Fall Zachary Benedict zuständig war, und mir ist klar, daß nichts von alledem Ihre Schuld ist, aber es scheint doch so, daß dem Ganzen ein gigantischer Justizirrtum zugrunde liegt. Ich brauche Ihre Hilfe, um dieses Fehlurteil so schnell wie möglich wieder aufzuheben. Im Gegenzug bin ich mir sicher, daß die Presse gerne hervorheben wird, wie rasch Sie persönlich sich dafür eingesetzt haben, diesen massiven Fehler zu korrigieren. Ganz gleich, was Sie tun - Zack Benedict wird aus dem Ganzen als Märtyrer und Held hervorgehen. Die Medien werden einen Sündenbock für das Unrecht suchen, das ihm widerfahren ist, und ich würde es sehr bedauern, wenn Sie dieser Sündenbock wären.« Er machte eine Pause und lauschte. »Aber was zum Teufel rede ich hier lange. Sprechen wir doch heute beim Abendessen darüber. Sieben Uhr, schlage ich vor.«
67
Katherine trat auf die Bremse und brachte ihren Wagen mit quietschenden Reifen vor Julies Haus zum Stehen. Als sie ein Fahrrad vor der Tür stehen sah, fluchte sie leise, denn das hieß, daß Julie Nachhilfe gab. Ihre Tasche im Auto lassend, rannte sie über den Bürgersteig, riß ohne zu klopfen die Haustür auf und lief ins Eßzimmer, wo Julie mit drei kleinen Jungen am Tisch saß. »Julie, ich muß mit dir reden«, rief sie atemlos, »komm ins Wohnzimmer!«
Julie legte ihr Lesebuch beiseite, lächelte ihre Schüler an und sagte: »Willie, lies bitte laut weiter. Ich bin gleich wieder da.« Da Willie merkte, daß irgend etwas Aufregendes passiert sein mußte, las er nur, bis sie außer Hörweite war, und grinste dann seine beiden Mitschüler an. »Irgendwas ist da los«, sagte er, seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern senkend, und lehnte sich zur Seite, um
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