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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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unverzüglich auf den Weg machen.«
    Elysa folgte dem Kanonikus hinaus, schweigend. Sie fühlte sich alleine, unvermittelt in eine Aufgabe gedrängt, die sie nun heftig bereute. Warum nur hatte sie sich darauf eingelassen? Sie musste zugeben, dass sie sich geschmeichelt gefühlt hatte, als der Kanonikus ihr zutraute, das Ansehen der Rupertsberger Meisterin zu retten. Nun aber musste sie einsehen, dass sie nur zugestimmt hatte, um das Treffen mit ihrem Bruder hinauszuzögern. Aber war Burg Bergheim wirklich so viel unheilbringender als dieser unselige Ort?
    Das stille, kalte Kloster wirkte auf einmal bedrohlich, und es gab nichts, das sie länger als vier Tage hier halten könnte. Niemals würde sie so weit gehen, einen falschen Eid zu schwören, um auf die Rückkehr des Kanonikus zu warten, einen Meineid im Angesicht Gottes. Ihr kam ein furchtbarer Gedanke.
    »Was ist, wenn Euch auf dem Weg etwas zustößt?«
    »Dann wendet Euch an den Konversen Gregorius. Ihr findetihn im Laientrakt an der Nordseite der Klosterkirche. Er wird Euch weiterhelfen«, erwiderte Clemens von Hagen.
    »Ist er der Mann, dem ihr gestern Abend etwas zustecktet?«
    Clemens nickte wortlos.
    Es war neblig gewesen in jener Nacht. Nur schemenhaft erinnerte sich Elysa des Laienbruders, der mit einem Mantel über der grauen Tunika und kurzem braunem Skapulier gekleidet gewesen war.
    Unterdessen waren sie bei den Ställen angelangt. Beklommen verfolgte Elysa, wie sich der Kanonikus auf sein Pferd schwang und durch die Klosterpforte ritt. Ihr Herz war schwer. Obwohl sie Clemens von Hagen kaum kannte, schien er ihr plötzlich nah und vertraut, Teil jenes Lebens, das sie vor der Klosterpforte gelassen hatte. Nun, da er ging, war es ihr, als ginge ein Teil ihrer selbst.
    Für einen kurzen Moment dachte sie daran, auf der Stelle zum Laientrakt zu laufen und von Gregorius die Herausgabe ihrer Truhen einzufordern. Für ein paar Silbermünzen wäre der Laienbruder vielleicht auch dazu bereit, sie bis zur Burg zu begleiten. Aber wollte sie das wirklich?
    Wind kam auf und zerrte an ihrem Umhang. Die Glocke erklang, laut und durchdringend, kündete vom Beginn der Sext.
    Elysa straffte die Schultern. Sie würde sich dem Klosteralltag beugen müssen und dabei versuchen, mehr über die Vorgänge in Erfahrung zu bringen. Und sei es, um sich zu wappnen, sollte das Böse erneut hereinbrechen.
    Als Elysa sich der Klosterkirche zuwenden wollte, ertönten plötzlich lautes Rumpeln und das Schnauben von Pferden. Dann erklangen Rufe von Männern, die sich mit der Pförtnerin verständigten. Das Tor wurde auf beiden Flügeln weit aufgestoßen, und ein Pferdewagen schob sich hinein, vorweg ein stämmiger Gaul. Auf dem Kutschbock saßen zwei Männer, ein jüngerer und ein älterer, der die Zügel lenkte und das Pferd nun zum Stehen brachte.
    Auch die anderen Nonnen hatten den Lärm vernommen, aufgeregt schwatzend kamen sie herbeigeeilt. Als Priorin Agnes den Hof betrat, stoben sie auseinander, hinüber zur Klosterkirche, in deren Portal Schwester Ida stand und voller Ungeduld mit dem Stab gegen die Tür klopfte. Elysa zögerte kurz, doch nachdem sie einen kühlen Blick der Priorin aufgefangen hatte, schloss sie sich ihnen an.
    Die Ankunft der Handwerker sorgte für große Aufregung unter den Nonnen. Keine von ihnen dachte daran, sich der stillen Arbeit zuzuwenden. Die angefangenen Näharbeiten lagen achtlos auf den Tischen. Liturgische Gewänder, die darauf warteten, gesäumt zu werden, dunkle Stoffe, Borten und allerlei Verzierungen. Der Werksraum war erfüllt von leisem Getuschel.
    Zimmerleute, wisperte es, sie sollen das Dach des Seitenschiffes ausbessern.
    »Ich kenne sie«, flüsterte Anna, eine junge Nonne. »Es sind Ditwin und sein Vater Eberold aus Bingen.«
    »Woher kennst du Handwerker?«, fragte eine andere Nonne, und es klang verächtlich.
    Anna bedachte sie mit einem überheblichen Blick. »Es sind verdiente Leute, die im Gegensatz zu deinem Vater einen guten Leumund haben!«
    Die andere Nonne errötete und senkte die Augen.
    »Eberold und sein Sohn haben im Auftrag eines Baumeisters an unserem Haus in Bingen gebaut. Ditwin zählte damals noch nicht einmal zwölf Winter«, fuhr Anna fort. »Und seht, was für ein stattlicher junger Mann er nun geworden ist.«
    Ein erschrockenes Raunen ging durch den Raum. Augenblicklich trat Stille ein. Elysa betrachtete Anna. Sie mochte nicht älter als sechzehn sein. Die Haube saß fest um Stirn und Kinn, und dennoch hatten

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