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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Bergheimnur einmal begegnet, Ende März, als auf dem Hoftag Jesu Christi in Mainz zur bewaffneten Pilgerfahrt gegen die Feinde des Christenreichs aufgerufen worden war. Ein Widerling, ein aalglatter Adeliger, der sich Kaiser Friedrich Barbarossa als Ritter anbot und dabei arrogant und selbstherrlich seine Verdienste im letzten Italienfeldzug pries, die indes wesentlich schmaler waren – wie Clemens später erfuhr –, da er vorzeitig zurückgekehrt war, um seine Wunden zu pflegen, die er sich noch vor der Überquerung der Alpen zugezogen hatte. Und nun, da Magnus’ Vater verstorben und er Herr über Bergheim war, schien seine Arroganz noch zu wachsen.
    Ein furchtbares Krachen riss den Kanonikus aus seinen Gedanken. Vor ihm stürzte ein dicker Ast zu Boden und ließ sein Pferd scheuen. Im selben Augenblick sprangen zwei lumpenverhüllte Männer aus dem Unterholz auf ihn zu, brüllend und mit schwingenden Keulen. Clemens riss sein Pferd herum und setzte zurück. Keinen Augenblick zu spät. Der Hieb einer Keule traf ein Bein, doch sein Ross war schneller. Mit klopfendem Herzen stob Clemens durch das Dickicht, den Pfad entlang, den er gekommen war.
    Zwei weitere Männer versperrten ihm den Weg. Er saß in der Falle.

7
    S ie warteten bis nach der Komplet. Während die anderen Nonnen zum Westportal hinaus in die Dunkelheit des stürmischen Abends strömten, kniete sich Margarete mit tief gesenktem Kopf vor den Altar des heiligen Rupertus im intakten nördlichen Seitenschiff. Elysa hingegen blieb unbeweglich auf ihrem Platz im Chorgestühl sitzen, flach atmend, und beobachtete Humbert von Ulmen, Priester und Seelsorger, der sich nun anschickte, die flackernden Kerzen zu löschen.
    Seine Handlungen wirkten eingespielt, fast abwesend, und Elysa fiel auf, dass der Priester nicht die Dominanz ausstrahlte, die ihm in dieser Position gebührte. Fast war er ein Schatten, der auftauchte, wenn die Pflicht ihn von innen erleuchtete und dann wieder verschwand, als wäre er bis zur nächsten Pflichtübung nicht existent.
    Durch das offene Dach des südlichen Seitenschiffs heulte der Wind immer stärker. Er hatte die Nonnen bereits beim Ave Maria gestört, das sie leise vor sich hin beteten, nun aber schien er zu einem Orkan zu werden. Elysa fragte sich, wie die Handwerker sich am nächsten Tag auf dem Dach halten wollten, wenn sie es erneuerten.
    Sie betrachtete den hohen Raum, der karg war und doch von überwältigender Größe. Ungewöhnlich für ein kleines Nonnenkloster, deren Kirchen üblicherweise nur aus schmalen einschiffigenSaalbauten bestanden. Hatte Hildegard von Bingen, als sie das ehemalige Augustinerkloster für ihre Nonnen wählte, der männlichen Welt ein Zeichen setzen wollen?
    Ihr Blick fiel auf das große Kruzifix über dem Altar, hölzern zwar, aber mit Blattgold bemalt und durch Gestalt und Ausdruck kraftvoll und eindringlich.
    Der Gottessohn neigte sein Haupt nach links, sein Blick ernst und scheinbar unberührt von dem Leid, das sein ausgemergelter Körper mehr als erahnen ließ. Sollte es Gottes Wille sein, durch den Zustand des gleichmütigen Duldens über das Leid zu triumphieren? Erlaubte man damit nicht dem Bösen, in seinem Tun fortzufahren?
    Nun war es fast dunkel. Das Flackern der verbliebenen Kerze im Nonnenchor ließ die Schatten des Chorgestühls im Luftstrom tanzen.
    Dann ging auch der Priester – ohne sich noch einmal zu den Nonnen umzudrehen, ganz in sich und der Welt seiner Gedanken versunken. Mit leicht gebücktem Gang, so als trüge er die Last der Verantwortung für den Konvent auf seinen Schultern, schritt er zum Ende des nördlichen Querschiffes und verließ die Kirche über die zum Nordtrakt geöffnete Tür.
    Der Wind tönte, sonst war es ganz still. Elysa richtete sich auf und sah zum Westportal – sie waren alleine. Dann erhob sie sich. Das laute Knacken des Chorgestühls ließ sie zusammenzucken, aber außer Margarete war niemand da, der davon Notiz nehmen könnte.
    Leise ging Elysa zum seitlichen Altar des heiligen Rupertus, wo Margarete auf sie wartete. Sie bemerkte, dass die Nonne zitterte, konnte jedoch nicht zuordnen, ob vor Angst oder vor Kälte. Mit einer kurzen Handbewegung bedeutet Margarete, ihr zu folgen.
    Im nördlichen Arm des Querschiffes, dort, wo der Priester die Kirche verlassen hatte, ging Margarete auf die hölzerne Statueeiner Frau mit Jungfrauenkrone zu und schob sie beiseite. Bei näherer Betrachtung erkannte Elysa eine weitere, allerdings unscheinbare Holztür,

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