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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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zeiget ein heiteres Gesicht und habet ein frommes Gemüt.«
    Ein lastendes Schweigen lag auf den Nonnen. Wollte Radulf damit andeuten, dass sie trotz der Mühsal, die sie in diesem Kloster zu erdulden hatten, Heiterkeit ausstrahlen sollten?
    Eine Novizin zu Elysas Linken begann mit ihrer Nachbarin zu tuscheln. »Es wäre angemessen, die geistige Disziplin ein wenig zu lockern«, zischte sie. »Ich könnte mich durchaus an ein wenig mehr Frohsinn gewöhnen.«
    Auch Ida hatte es gehört. Elysa bemerkte eine steile Falte, die sich zwischen ihren Brauen abzeichnete, und musste unwillkürlich lächeln.
    Das Antlitz der blinden Nonne verdunkelte sich zusehends, schließlich stand sie auf. »Wenn ihr den Einwand gestattet, ehrwürdiger Radulf …«
    Er ermunterte sie hüstelnd.
    »Wer bin ich«, begann sie demütig, »dass ich dem Gesandten des Erzbischofs widersprechen könnte. Doch erlaubt mir einen Einwand. Dieser Dämon suchte nicht die Melancholie, obgleich die Schwarzgalle unzweifelhaft zu Krankheiten führen kann.«
    »Und doch sehe ich keine Heiterkeit in eurem Konvent.«
    »Die Heiterkeit widerspricht dem Gebot der Demut.«
    »Ehrwürdige Schwester.« Der Blick des Priesters wurde mitfühlend, ja, fast bedauernd. »Ich meinte nicht den unangemessenen Frohsinn, der der Sehnsucht nach dem süßen Leben entspringt. Ich sprach von der gelassenen Heiterkeit, die uns die himmlischen Freuden erschließt, wie die Blumen sich der Sonnenwärme öffnen. Doch unter euch weilen Schwestern in derSchwärze bitteren Rauches, die mit Hartherzigkeit und Eigenwillen auch den anderen schaden.«
    Ein lautes Donnern ließ die Nonnen zusammenzucken. Der Himmel war nun pechschwarz.
    »Ihr seid noch nicht einen Tag hier und wagt es zu richten«, ereiferte sich Ida, die sich angesprochen zu fühlen schien. »Es sind die Sünden, die den Dämonen Zutritt verschaffen. Und wenn wir ihnen nicht Einhalt gebieten, wird es unser aller Ende sein!« Sie erhob drohend den Finger. »Der Antichrist versammelt seine Scharen und befiehlt den oberen Elementen, ihn gen Himmel zu tragen! Wir aber sollten uns der großen Meisterin erinnern, die uns verhieß: O allmächtiger Gott, wer kann dir widerstehen und dich bekämpfen? Das vermag die alte Schlange, jener teuflische Drache, nicht. Darum will auch ich mit deiner Hilfe gegen ihn kämpfen.«
    Der Exorzist hob zur Widerrede an, sichtlich erbost über die ungeheuerliche Respektlosigkeit gegenüber seinem Amt. Doch er sollte nicht dazu kommen. Ein markerschütternder Schrei durchdrang die Versammlung. Die Nonnen sprangen auf und stürmten zum Portal hinaus, der Laienschwester Hiltrud entgegen, die sich um die Sauberkeit der Konventsräume zu kümmern hatte und nun mit schreckensweiten Augen zum Kapitelsaal lief.
    Unterdessen hatte sich der Regen in Hagel verwandelt, hart und spitz traf er zu Boden und verwandelte den Kreuzgarten in eisiges Weiß. Ein paar Körnchen prallten ab und rollten in den überdachten Kreuzgang hinein, machten ihn augenblicklich glatt und rutschig, aber niemand schien es zu bemerken.
    »Margarete«, schrie Hiltrud aufgebracht. Sie rang nach Atem und deutete geschüttelt von Schluchzen auf den schmalen Weg, der zwischen den Konventsgebäuden zum äußeren Klosterbezirk führte. »Im Badehaus.«
    Die Schwestern folgten ihrem Fingerzeig, siebzehn an der Zahl,nur Ida blieb zurück, das Gesicht um Fassung ringend zum Himmel gewandt. Sie alle drängten und schoben den Weg entlang, rutschend und teils fallend, durch den hart prasselnden Hagel hinaus zum Badehaus.
    Margarete lag regungslos auf dem Steinboden. Ihr Gesicht war blass, die Augen waren geschlossen. Unter ihrem Hinterkopf eine rote Lache, die sich langsam ausbreitete.
    »Jesu Domine noster! Wir sind alle verloren, der Herr sei uns gnädig.«
    Ein paar der umstehenden Nonnen begannen zu weinen, andere beteten. Eine junge Novizin lief mit kalkweißem Gesicht in Richtung Latrinen.
    Jutta, die Medica, bahnte sich einen Weg durch die Schwestern. Sie strich Margarete über die Stirn und legte ihr Ohr an den geöffneten Mund. »Schweigt still«, rief sie. »Ich kann nichts hören.«
    Gebannt verfolgten die Schwestern ihr Tun. Elysa hielt den Atem an und kämpfte mit den Tränen. Nein, nicht Margarete! Ein unerwarteter Gefühlssturm überkam sie. Sie dachte an den Abend in der Krypta und an Margaretes Sorge um ihr Seelenheil. War es falsch gewesen, ihr von der Beichte abzuraten? War sie nun für ihre Tat bestraft worden, schmorte im ewigen

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