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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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man nicht auch den Nonnenchor der Klosterkirche in alter Pracht hatte erstrahlen lassen.
    Endlich betrat Priorin Agnes den Raum. Direkt hinter ihr erschien ein großer hagerer Mann mit Tonsur, ein Priester, bekleidet mit einer bestickten Kasel aus kostbar gemustertem Seidenstoff, wie sie ausschließlich während der Messe an besonders hohen Festtagen getragen wurde. Eine Borte, an der Naht nach unten verlaufend, sowie eine andere unterhalb der Schultern, den Oberkörper umfassend, bildeten ein Kreuz, das in seiner Leuchtkraft den Blick von der aufwendigen Stickerei lenkte. Das Gesicht des Priesters zeigte, soweit Elysa es im Schatten erkennen konnte, jene Erhabenheit, welche die Mächtigen oftmals ausstrahlen, denndass er in seiner christlichen Aufgabe Macht ausübte, schien unzweifelhaft.
    Für einen Moment hielten Priorin und Priester inne, als wollten sie den Augenblick der Ehrerbietung wahren, die sich sogleich unter den versammelten Schwestern erhob. Das vom Kreuzgang aus eindringende Licht umstrahlte die beiden und hüllte sie in einen ehrfurchtgebietenden Schein.
    Nur einen Moment, dann durchquerte die Priorin mit hoch erhobenem Kopf den Raum, nahm auf dem großen, reich verzierten Stuhl an der Rückwand Platz und wies den Priester an, sich zu ihr zu stellen.
    Nach dem Verlesen der Ordensregel und dem anschließenden Segen erhob sich Agnes und wies mit einer ausladenen Geste auf den Priester.
    »Ehrwürdige Schwestern, wie ihr wisst, hat uns der Herr mit einer großen Prüfung belegt, der wir nicht zu begegnen wissen. Wir haben uns redlich mit Fasten und Beten abgemüht, doch ohne Erfolg. Jener Dämon, der durch den unwürdigen Bruder unser Kloster betrat, hat bereits mehr Unheil angerichtet, als unser Konvent verkraften kann.«
    Sie machte eine Pause und sah in die erwartungsvollen Gesichter der Anwesenden.
    »Ich habe«, fuhr sie schließlich fort, »unseren Erzbischof Konrad demütig gebeten, uns von der Last unserer Mühsal zu befreien. Und obgleich er in Ungarn weilt, um den Durchgang zum heiligen Kreuzzug vorzubereiten, haben sich seine Stellvertreter unseres Flehens angenommen und einen Diener Gottes gesandt, der sich auf das Austreiben des Bösen versteht – Radulf von Braunshorn.«
    Erleichterung trat in die Gesichter der Nonnen, einige von ihnen schlugen das Kreuz und sahen voller Dankbarkeit gen Himmel. Auch Elysa verspürte Befreiung, als wäre eine schwereLast von ihren Schultern genommen, wenn auch aus anderem Grund. Ihre Angst war unbegründet gewesen, es ging gar nicht um sie oder um Margarete, es ging um etwas weit Größeres.
    Der Priester räusperte sich und sah mit glänzenden Augen in die Runde. Etwas Kraftvolles, nahezu Unheimliches haftete ihm an, und noch während er zum Sprechen ansetzte, verdunkelte sich der Himmel.
    Schlagartig wurde es ganz still im Raum. Eine der Nonnen stand auf Geheiß der Priorin auf, die Lichter zu entzünden.
    Radulf von Braunshorn wartete, bis sich die Nonne wieder gesetzt hatte. Dann breitete er die Arme aus und begann mit eigentümlich schnarrender Stimme zu sprechen: »So hört nun, ehrwürdige Töchter von Eibingen, ich sehe euch angesichts der unerklärlichen Vorgänge verunsichert. Doch die verborgenen Geheimnisse Gottes können von geschöpflichen Menschen nicht begriffen werden.«
    Draußen vor den Arkaden begann der Regen, er fiel zu Boden und untermalte die Verkündung mit immer stärker werdendem Prasseln. Elysa dachte an die Handwerker auf dem Kirchendach, die innerhalb kürzester Zeit völlig durchnässt sein mussten.
    Der Priester deutete mit erhobener Hand zum Kapitelsaal hinaus. »Seht, so sammelt sich das Wasser der Taufe durch die Verteidiger der Wahrheit und tropft als Regen auf die Menschen hernieder.« Es war offensichtlich, dass er sich gerne reden hörte, sein Mund umspielte ein zufriedenes Lächeln.
    »Bitte, ehrwürdiger Radulf«, fiel die Priorin eifrig ein, »verratet uns den Grund für unsere Bedrängnis.«
    Der Priester reckte sich zur vollen Größe und antwortete mit gestrenger Miene. »Der Grund für diese Dinge kann sein, dass die Dämonen sich an gewissen Dingen erfreuen, in denen sie gerne wirken. Oftmals suchen sie Gefühle der Traurigkeit und Melancholie, denn diese Gefühle lieben sie und verweilen darin. AndereDinge, vor denen sie zurückschrecken, verdüstern ihre Stimmung: Erfreuliche und heitere Dinge, die im Menschen Frohsinn hervorbringen, sind den Dämonen unangenehm, daher kommt es, dass sie davor fliehen. Darum

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