Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Kloster zu hinterfragen. Oder glaubst auch du an einen Pakt des Teufels?« Tränen stiegen in ihre Augen. Hastig wischte Elysa sie mit dem Handrücken weg und starrte Jutta kampfeslustig an.
Mit hochgezogenen Brauen erwiderte Jutta den Blick. Nach einer Weile begann sie zu lächeln, zunächst widerwillig, dann aber voller Wärme.
»So höre, Schwester, denn ich spüre, dass du guten Willens bist«, sagte sie mit einem beifälligen Unterton in ihrer Stimme. »Ich will dir sagen, was in der Arznei enthalten ist. Margaretes Gesicht ist bleich, die Glieder sind eiskalt. Die Kälte hat über das innere Feuer gesiegt und es aus ihrem Körper vertrieben. Nun gilt es, das innere Feuer wieder zu entfachen, also gebe ich eine Arznei aus Galgant und Bertram zu gleichen Teilen und zwei Teile Pfefferkraut, gemischt mit dem Saft von Griechenklee.«
»Wird sie …«
»Unser Kampf geht nicht um Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten dieser Finsternis.«
»So glaubst auch du an die Fallstricke des Teufels?« Elysa sah Jutta ernst an. »Ehrwürdige Medica, etwas geht vor in diesem Kloster, das ich zu verstehen suche, und es scheint eine Verbindung zu geben, die einer irdischen Gewalt unterliegt. Zuerst der Mönch …«
»Du weißt von dem Mönch?«
»Ja, und auch von Elisabeth und von dem Raub der Reliquien. Und die Schäden des Kirchenbrandes sind wohl kaum zu verbergen. Ich bitte dich, im Namen der seligen Meisterin, verrate mir, was du darüber weißt.«
Jutta wandte seufzend den Blick ab, nahm erneut den Löffel und begann, Margarete noch mehr der Flüssigkeit einzuflößen.
Dann sah sie Elysa wieder an.
»Ich vermag dir in deinem Schluss nicht zuzustimmen, und ich sehe nicht, warum du das Recht hast, mich im Namen der Meisterin um die Wahrheit zu ersuchen. Aber sei es drum, ich will deine Neugier stillen. Doch zuerst lass mich dir Folgendes sagen, und ich sage es nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil ich will, dass es dir nicht so ergeht wie den Oblatinnen, die ins Kloster gegeben werden, ohne selbst zu entscheiden: Ich glaube nicht, dass der Weg, den du wähltest, der richtige ist. Hat dir Margarete nichts von der Härte und Schwere auf dem Weg zu Gott beigebracht? Ich sehe nicht, dass du Gott suchst, du zeigst keinen Eifer für den Gottesdienst, bist nicht bereit zu schweigen und zu gehorchen, geschweige denn fähig, Widerwärtiges zu ertragen. Nein, ich sehe dich im Weltlichen verstrickt, unfähig zu Leid und leiblicher Zucht. Du fliehst der Kälte, anstatt dich durch sie zu prüfen. Siehe, die Zeiten sind hart, doch auch diese Zeiten sind nur ein weiterer Weg zu Gott. Denn nur in der Fähigkeit zur Askese und Innenschau wirst du Gott finden.«
Elysa war erstaunt, es erschien ihr eindrucksvoll, wie Jutta innerhalb weniger Augenblicke ihre innere Haltung erfasst hatte. »Du magst recht liegen, euer Weg ist hart und steinig. Umso dringlicher ist es, ihn bis ins Mark kennenzulernen. Doch warum gab man mir nur vier Tage, mein Ansinnen zu überprüfen?«
»Weil die Priorin es so bestimmt hat.« Jutta sah Elysa eindringlich an. »Wie ich hörte, kommst du auf Empfehlung des Bischofstuhls, darum sei achtsam. Agnes hat es eilig mit Anwärterinnen und wird dich trotz mangelnder Ernsthaftigkeit aufnehmen, denn die Gemeinschaft schmilzt dahin. Daher prüfe dein Ansinnen gut, denn danach ist es zu spät für eine Umkehr.«
Jutta hat einen klaren Blick und versteht sich auf die Kunst der Analyse, dachte Elysa. Sie fragte sich, ob die Nonne ahnte, dasssie gar nicht vorhatte, ins Kloster einzutreten, aber Jutta fuhr unbeirrt fort.
»Und nun zu deinen Fragen«, sagte die Medica mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. »Was Margarete betrifft, so kann ich nur hoffen, dass sie aus einer Schwäche heraus gestürzt ist. Ansonsten muss ich annehmen, jemand hat sie schwer zu Fall gebracht oder ihr mit Gewalt den Kopf verletzt, denn die Wunde ist tief. Du magst recht haben mit deiner Sorge, es geschehen Dinge, die unsere Heimkehr ins Himmelreich ankündigen, vielleicht liegt es an diesem unseligen Ort. Die Welt besteht ohnehin nur so lange, bis die Zahl derer, die durch ihre Tugendhaftigkeit erwählt wurden, auf die vorherbestimmte Zahl der Erlösten angewachsen ist. Und diese Zeit scheint nun gekommen, denn seit dem Tod der seligen Hildegard gibt es hier kaum Heiliges mehr.«
»Was meinst du damit?«
Jutta sah Elysa fest an. »Was ich dir zu sagen habe, sage ich aus Sorge um dein Wohl, denn du kannst noch fort. Aber es
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