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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Feuer, dafür, dass sie etwas für sich behalten hatte, das nicht ihr gehörte? Nein, nein, Margarete durfte nicht tot sein, Gott stehe ihr bei. Es war nichts Unrechtes, es geschah zum Wohle der Prophetin!
    Elysas Kehle schnürte sich zu, die Gefahr kam näher, würde bald auch sie erreichen, ebenso wie den ganzen Konvent. Ausgelöscht, verdammt, vom Teufel und den schlechten Elementen zermalmt, die ihm untertan sind.
    Unwillkürlich wischte Elysa sich die Tränen aus dem Augenwinkel. Sie musste ihre Gedanken ordnen, sich nicht von der Angst leiten lassen. Mit der Kunst der Analyse vorgehen, so, wie ihr Onkel es sie gelehrt hatte. Nicht der Teufel war es, sondern einallzu menschliches Wesen, hatte sie Margarete in der Krypta beschworen. Wer aber konnte all diese Dinge in Gang gebracht haben?
    Elysa dachte an das Pergament. Wie töricht waren sie, als sie glaubten, niemand im Kloster würde von der Existenz dieser Schrift wissen. Hatte jemand versucht, es der Nonne zu entreißen? Wollte dieser Jemand sichergehen, dass Margarete das Wissen um die Existenz jenes Schriftstücks mit ins Grab nahm?
    Bewegung kam in die Schwestern, nur zögernd lösten sie sich aus der Erstarrung. Elysas Blick fiel auf Radulf von Braunshorn, der sich einen Weg durch die Umherstehenden bahnte, dicht gefolgt von Agnes. Er bekundete Anteilnahme, ermahnte die Nonnen zum Gebet, doch seine Augen zeigten Abscheu. Rasch wandte er sich zum Gehen, und die Priorin folgte ihm.
    Schließlich – es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein – erhob sich Jutta. »Sie atmet, aber ihr Geist schwindet«, sagte die Medica düster. »Nur noch der Herr vermag das Feuer in ihr wieder zu entfachen.« Sie seufzte schwer. »Doch auch ich will nicht untätig sein. Auf, reicht mir Tücher, damit ich die Blutung stillen kann.«
    Während Jutta schweigend einen Sud vorbereitete, saß Elysa neben dem Krankenlager und hielt Margaretes Hand. Die Finger der Nonne waren eiskalt, trotz des Feuers, das im Ofen der Krankenstube flackerte.
    Als sie die Bewusstlose in den Raum getragen und auf das Lager gebettet hatten, war Elysa sogleich zum Ofen gegangen, hatte Hände und Leib gewärmt, Juttas tadelnden Blick ignorierend, bis der elendige Frost aus ihren Gliedern vertrieben war.
    Seitdem war sie Margarete nicht mehr von der Seite gewichen, hatte auch den Aufforderungen der Medica getrotzt, sich aus der Krankenstube zu entfernen. Sie würde die Nonne nicht verlassen, bevor sie sich sicher sein konnte, dass sie am Leben blieb. Juttahatte sie schließlich gewähren lassen und sich der Zubereitung der Arznei gewidmet.
    »Was ist das für ein Heilmittel, das du ihr verabreichen wirst?«, fragte Elysa, nachdem sie den Blick durch den Raum hatte schweifen lassen, der schlicht war, jedoch mit allem ausgestattet, was man zur Pflege der Kranken benötigte: ein Herbarium, allerlei Behältnisse, Instrumente zum Anmischen der Arzneimittel und solche, um zur Ader zu lassen, saubere Tücher und Wasser zur Erfrischung.
    »Du bist überaus neugierig«, antwortete Jutta mürrisch und trat mit einem dampfenden Gebräu an ihre Seite. »Der Herr sieht das nicht gerne.«
    »Der Herr?« Soweit Elysa die Überlieferungen vom Leben der seligen Hildegard verstand, hatte auch der Prophetin eine gewisse Neugier innegewohnt, ansonsten wäre sie dazu verdammt gewesen, ihr gesamtes Leben auf dem Disibodenberg zu verbringen, in strenger Klausur und unter dem Scheffel eines misslaunigen Abtes. Aber Elysa wollte Jutta nicht verärgern, also schwieg sie.
    Besorgt musterte Elysa Margaretes bleiches Gesicht und die unverändert geschlossenen Augen. »Glaubst du, ein Gift hat sie stürzen lassen?«
    »Nein, ganz sicher nicht.« Jutta nahm einen Holzlöffel und schob ihn mitsamt der Arznei durch Margaretes geschlossene Lippen.
    »Was dann?«
    Jutta sah sie tadelnd an. »Warum möchtest du all das wissen?«
    Heißer Zorn stieg in Elysa auf, wallte Gefühle empor, die sie geflissentlich unterdrückt hatte. Da lag Margarete, dem Tode nahe, und Jutta maßregelte ihre Neugier. Sie fühlte sich hilflos, alleine in diesem ungastlichen Kloster, das Mönche wie auch Nonnen dahinraffte. Elysa erhob die Stimme und öffnete ihr Herz, weit lauter, als es sich für eine Anwärterin geziemte.
    »Weil ich diese Tochter Gottes schätze und es meine Seele betrübt, sie so zu sehen«, ereiferte sie sich. »Und weil ich nicht zu erkennen vermag, dass auch nur eine der Bräute Christi den Mut aufbringt, die Geschehnisse in diesem

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