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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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wird in diesen Räumen bleiben, und solltest du jemandem davon berichten, so werde ich tun, als habe dieses Gespräch niemals stattgefunden.«
    Elysa nickte.
    »Gut. Nun höre, was ich dir zu sagen habe. Als Hildegard noch lebte, war dieses Kloster voller Freude. Wir alle verehrten sie, sie wusste immer das rechte Maß zwischen Strenge und Güte. Zweimal in der Woche setzte sie über den Rhein, um nach uns zu sehen, und umgab uns mit ihrer mütterlichen Fürsorge. Sie nahm sich Zeit für die Sorgen einer jeden und erbaute uns mit ihrer Kraft und Stärke. Von ihr erlernte ich meine Kunst, ich erhielt eine Abschrift ihrer Heilanweisungen, um dem Kloster mit ihrem Wissen zu dienen. Die Zeit mit Hildegard war uns wertvoll, denn ihre Aufgaben waren vielfältig. Den Rupertsberg erreichten täglich viele Boten und Bittsteller, und sie bemühte sich nach Kräften,niemanden abzuweisen. Die Anfragen nach Abschriften ihrer großen Visionsschriften nahmen überhand, so dass befreundete Klöster gebeten wurden, in ihren Skriptorien mitzuhelfen. Und doch kam Hildegard, uns zu unterweisen, trotz all der Gebrechen, unter denen sie seit ihrer Kindheit litt. Viele Frauen, Adelige und auch welche einfachen Standes, strömten in unser Kloster, um sich zu melden. Es war eine gute Zeit.«
    Jutta wandte sich ab, trat an die Fensteröffnung und sah am Spalt des vorgestellten Rahmens vorbei nach draußen. »Dann aber wurde sie immer kränklicher, und ihre Besuche nahmen ab. Als sie schließlich starb, versanken wir in großer Trauer und verblieben im Schmerz, bis ein Jahr verging. Dann verschied auch unsere Priorin. Agnes wurde zur Meisterin von Eibingen ernannt, doch sie schien nicht glücklich mit ihrer Wahl. Sie war sehr ehrgeizig, zum Zeitpunkt der Ernennung bereits Bibliothekarin am Rupertsberg, Hüterin der Schriften. Man erzählte sich unter vorgehaltener Hand, dass Agnes die Äbtissinnenwürde für sich anstrebte, doch es war Adelheid, die von Hildegard als Nachfolgerin auf dem Rupertsberg bestellt worden war, und als Adelheid starb, stand Agnes nicht mehr zur Wahl.«
    Elysa dachte an die Priorin, die sie stets nur im Hintergrund wahrgenommen hatte. Im Kapitelsaal aber hatte sie geleuchtet, durchdrungen von Stolz und Freude um den ehrenwerten Gast. »Was ist mit Ida?«
    Jutta drehte sich langsam um, die Stirn in tiefen Falten. »Ida«, murmelte sie und ging zu Margarete, um ihr einen weiteren Löffel der Arznei einzuflößen. Dann sah sie Elysa eine Weile schweigend an, ohne dass ihre Züge verrieten, was sie dachte.
    »Ida«, begann sie schließlich zögernd, »war schon hier, als Agnes kam. In Ida fand Agnes eine willkommene rechte Hand, die ihr all das abnahm, was ihr unliebsam erschien, aber für ein tadellos geführtes Kloster zweifellos vonnöten ist: Wachsamkeitund Härte. Sie selbst konnte sich so den weltlichen Aufgaben widmen, ließ sich von Kirchenfürsten und Pilgern konsultieren, selbst unser Erzbischof Konrad war bei ihr zu Gast. Fernerhin gab sie Ratschläge an andere Klöster, kurz, sie tat ganz, als sei sie eine Äbtissin und nicht die Priorin eines untergeordneten Klosters.«
    »Und wurde Agnes dafür getadelt?«
    »Man munkelt es. Ich glaube, ihr wurde nahegelegt, Demut walten zu lassen und die Zeit mit Fürbitten zu verbringen, denn seit geraumer Zeit war kaum noch ein Gast in diesen Mauern, der sie um ein Gespräch ersuchte.«
    Elysa dachte an den Tag, an dem Adalbert von Zwiefalten gestorben war. »Waren an jenem Tag, an dem der Mönch zu Gast war, noch weitere Besucher im Kloster?«
    In Juttas Antlitz spiegelte sich Erstaunen. »Ich glaube nicht. Es sei denn … Du müsstest Otilie fragen, die Pförtnerin. Doch ich ermahne dich, treibe es nicht zu weit. Bring unsere Nonnen nicht dazu, das Schweigegebot zu missachten, nur um dein Ansinnen zu überprüfen.« Sie legte den Löffel auf ein Tischchen und verschloss die Arznei. »Auch ich habe dem Schweigegebot zu folgen, ebenso wie du, denn Reden und Lehren kommen nur dem Meister zu, Schweigen und Hören dem Jünger.«
    Damit wandte die Medica sich wieder ihrem Arzneischrank zu und begann, Phiolen und Tonkrüge zu ordnen.
    Elysa nahm sich vor, die Pförtnerin so bald als möglich zu befragen. Otilie hatte auch den Mönch eingelassen, gewiss wusste sie mehr zu berichten. Doch in diesem Augenblick hatte etwas anderes Vorrang: das Pergament.
    Sie beobachte Jutta, die sich in ihr Werk vertiefte, und glaubte sich unbeachtet. Einer plötzlichen Eingebung folgend, tastete

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