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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Mönche mit einem Pferdewagen begegnet?«
    Der Pilger sah kurz auf, schüttelte aber den Kopf und ging wortlos weiter.
    Clemens sank der Mut. Ihn fror, seine Fäustlinge waren ihm im Wald abhandengekommen, als die Barbaren ihn zur Lichtung schleiften.
    Ihm, der stets der Kälte zu trotzen vermochte, kroch sie nun bis ins Mark und ließ sein verletztes Bein pulsieren. Der Fuß war beinahe taub.
    Er kam nur langsam voran. Wie nur sollte er die weite Reise bis nach Oppenheim überstehen? Vermochte er am Ende sein Bein zu retten?
    Auch brannte seine Kehle, seit Stunden hatte er nichts getrunken. Die Wasser aber, die bei einem Wolkenbruch in überreichem Erguss plötzlich ausgeschüttet werden, waren ebenso wie der Hagel gefährlich. Denn, so stand es in Hildegards Naturschrift geschrieben, wollte jemand dieses Wasser trinken, so würde er einem chronischen Leiden verfallen; sein Gewebe würde aufgerissen und zerstört.
    Clemens fielen die Augen zu. Ihn übermannte der Schlaf. Im Traum sah er einen Mönch ohne Gesicht, der zu ihm sprach: »Wach auf, wozu schläfst du? Halte den Weg, wohin deine Füße zeigen, denn abseits davon liegt dein Ziel.«
    Clemens schrak hoch und rieb sich die Augen. Das Ross schritt beständig voran, nun trabend, das Holpern schmerzte in jedem Knochen. Der Kanonikus straffte erneut die Zügel, bis das Tier wieder den Schritt fand. Wie lange hatte er geschlafen?
    Für einen Moment lichteten sich die Hagelschleier, und Clemens erkannte eine hohe zylindrische Steinsäule am Wegesrand, einen Meilenstein. Er brachte das Pferd zum Stehen und betrachtete die verwitterte Schrift.
    OPPENHEIM I MILLE PASSUUM
    Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm. Gerold von Mettlach hatte von zwei Meilen gesprochen, die es von der Kreuzungaus zurückzulegen galt, und Clemens hatte sogleich angenommen, er meinte deutsche Meilen, von denen zwei beinahe einen halben Tagesritt bedeuteten. Doch Gott hatte Erbarmen mit ihm, es waren römische Meilen, ungleich kürzer. Oppenheim – und damit auch die Aussicht auf Schutz und ein warmes Mahl – lag nur noch tausend Doppelschritte von ihm entfernt.

4
    W ährend Elysa die schmalen Stufen der Wendeltreppe zum Schreibraum erklomm, dachte sie an Margarete, die nun unter Juttas gestrengem Auge in der warmen Krankenstube lag. Elysa hatte die Verletzte nur ungerne verlassen. Jedoch hatte sich die Medica strikte Krankenruhe auserbeten und Elysa energisch angehalten zu gehen, nicht ohne deren Besorgnis um das Wohl der Nonne zu teilen und zu versichern, auf sie achtzugeben.
    Das harte Klopfen des Hagels, der auf das Dach niederging, übertönte den Klang ihrer Schritte. Unwillkürlich fragte sich Elysa, ob sie mögliche Verfolger würde nahen hören.
    Kurz vor Ende der Treppe hielt sie inne. Hier also hatte der Mönch gelegen, leblos und mit verzerrtem Gesicht. Was hatte ihn hierhergeführt?
    Beherzt trat Elysa ein. Die Bibliothek war unerwartet klein, kleiner selbst als jener Raum, den ihr Onkel in seinem Haus errichtet hatte, um seinen Studien nachzugehen, und der ihr nun mit seinen hohen, lichtdurchfluteten Fenstern und seinen Schränken wie ein prächtiger Saal erschien.
    Wie anders mutete nun dieser enge, verstaubte Ort an, der nichts mit einer Stätte der Schreibkunst gemein hatte, vielmehr mit einer unansehnlichen Kammer, in der man wenig Erbauliches von den Handschriften zu erwarten schien. Was wusste man hier von dem Zauber der antiken Autoren, von Gedichten, wissenschaftlichenTraktaten und Enzyklopädien? Was nutzte das Sammeln von Wissen, wenn es nicht erwünscht war?
    An der Westseite zum Klosterhof befand sich ein einziges Fenster, groß zwar und zu Elysas Erstaunen mit bleigefasstem Glas, doch es standen nur zwei Schreibpulte davor, verwaist und mit Staub bedeckt. Kein Tintenfass und keine Feder, die darauf wartete, feine Linien auf ein Pergament zu setzen. Keine Wachstafeln und keine Griffel.
    Außer Margarete, die wohl die Gicht zu sehr plagte, um noch die Feder zu führen, gab es augenscheinlich niemanden, der zu dieser Arbeit berufen worden war.
    Auf der gegenüberliegenden Seite ein weiteres Fenster, ebenso groß, doch ohne Pult davor, stattdessen stand unterhalb eine eisenbeschlagene Holztruhe. Das Glas dieses Fensters war vollständig aus der Fassung entfernt worden, die umgebenden Mauern waren schwarz. Die Feuersbrunst, die im Seitenschiff gewütet hatte, hatte auch das Skriptorium ergriffen, doch nur von außen, denn abgesehen vom rußigen Stein und dem

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