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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Regung des Donners in sich.
Die Erhabenheit des Schauspiels der göttlichen Gerichtsuntersuchung offenbart den Frevel, wie auch die göttliche Majestät mit allsehendem Auge das Wüten dieses Wahnsinnes sieht, bevor er offen zutage tritt.

1
    E s war die Zeit der Laudes. Während sich das Tor zum Westportal der Kirche langsam schloss, betraten Elysa und Margarete den dunklen Klosterhof, wo sie sich noch einmal fest bei den Händen hielten, voller Kummer wegen des nahen Abschieds. Längst hatte Elysa begriffen, dass das Gift Margarete gegolten hatte, und sie hatte der Nonne das Versprechen abgerungen, gut auf sich achtzugeben.
    Elysa hatte in der Frühe noch Magenschmerzen verspürt, sie hatte den Getreidebrei, der unter Juttas gestrengem Auge bereitet und mit einem Sud aus Muskatellersalbei vermischt worden war, dankbar verzehrt und sich sogleich besser gefühlt. Ein abgekochter Wein aus Fenchelsamen, Galgant und Habichtskraut tat das Übrige. Die Medica hatte sich zu ihr gesellt, blass und schweigsam, und ebenfalls von der Medizin getrunken.
    Für einen Moment hatte Elysa in Erwägung gezogen, sich der Priorin zu erklären, den Gedanken jedoch sogleich wieder verworfen. Seit der Exorzist zugegen war, ging man besser nicht zu großzügig mit der Beichte um, ohnehin hätte sie nicht ohne Bestrafung gehen können, denn würde man sie nicht befragen, was sie in der Krypta zu suchen gehabt hatte?
    So trat sie den Weg in aller Heimlichkeit an. Ein letztes Mal blickte sie zu der ihr lieb gewonnenen Nonne zurück.
    Der Nebel der Nacht hatte sich langsam zurückgezogen. Einefeine Feuchtigkeit berührte Elysas Gesicht, doch sie drang nicht an ihren Leib. Das Wollhabit der Benediktinerinnen war ungleich wärmer als die Kleidung, die der Kanonikus für sie erwählt hatte, sie hätte es schon früher anlegen sollen.
    Mit schnellen Schritten durchmaß sie den Klosterhof und erreichte das Torhaus. Niemand kam, um sie aufzuhalten. Ungehindert passierte Elysa die Pforte zum nördlichen Laientrakt.
    Clemens von Hagen würde enttäuscht sein, wenn er sie nicht mehr vorfand. Überrascht erkannte Elysa, dass sie sich danach sehnte, ihn wiederzusehen und seiner warmen Stimme zu lauschen, wenn er von den Dingen berichtete, die er in Erfahrung bringen konnte. Nun würde Margarete ihm alles erzählen, was er zu wissen verlangte. Zu ihrer großen Erleichterung hatte die Nonne von dem sicheren Verbleib des Pergaments berichtet. Elysa hatte sie gebeten, es Clemens zur genaueren Untersuchung zu übergeben. Alles würde seinen Lauf nehmen – auch ohne sie.
    Mit jedem Schritt, den Elysa den Wohngebäuden entgegenging, klopfte ihr Herz heftiger. »Wendet Euch an den Laienbruder Gregorius«, hatte der Kanonikus ihr beim Abschied vor zwei Tagen gesagt. »Er wird Euch weiterhelfen.«
    Würde Gregorius sie unverzüglich zu den Truhen führen können, in denen sie ihre gesamte Habe verwahrte? Konnte er sie ohne Zustimmung der Priorin zur Burg begleiten?
    Der Tag kroch zögernd empor, als sie auf das größere der beiden Gebäude zuging. Die Tür war angelehnt. Vorsichtig schob Elysa sie auf.
    Die beiden Handwerker saßen an einem Tisch, vor ihnen eine flackernde Lampe und ein zerteilter Laib Brot. Eberold, in der Hand ein Messer, stand der Mund weit offen, als er sie erblickte. Ditwin hingegen, der jüngere, verfiel in jenes anzügliche Grinsen, mit dem er Elysa tags zuvor bedacht hatte, als sie zum Kirchendachhochschaute, um den Arbeitern beim Ausbessern zuzusehen.
    »Ich suche den Laienbruder Gregorius«, sagte sie ein wenig zu hastig.
    »Gregorius ist nicht zugegen.«
    »Ist er auf dem Feld?«
    »Was willst du von ihm?« Ditwin leckte sich über die Lippen, während er sie unverhohlen anstarrte. »Ich kann dir gewiss an seiner statt zu Diensten sein.«
    »Die Dienste, die du im Sinn hast, sind es nicht, die ich verlange«, entgegnete Elysa erzürnt. »Rasch, antwortet! Wo ist Gregorius?«
    »Fort«, antwortete nun Eberold, der Vater, und stach das Messer in einen Brotkanten.
    »Die Priorin wird es zu ahnden wissen, wenn sie erfährt, mit welcher Unverfrorenheit ihre Arbeiter den Benediktinerinnen begegnen.«
    »So?« Ditwin musterte sie eindringlich. »Die Priorin wird sicher wissen wollen, was eine Frau wie du in diesem Trakt verloren hat!«
    Elysa dachte an das Vagantenlied und an die Nonne, die sie zwei Abende zuvor aus dem Haus hatte laufen sehen, als sie selbst beim Geläut zu den Vigilien durch das nördliche Querschiff ins Freie geflohen

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