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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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aufzubrechen und die Stücke, die er enthielt, als Dankeschön an Frau Mothes zurückzuschicken.
    Frau Mothes versprach sich umzuhören, ob jemand das Haus kaufen wollte. Ich gab ihr meine Geschäftskarte und betonte, daß ich jederzeit erreichbar sei. Dann bat ich sie, mir ein Taxi zu rufen.
    Ich werfe die Kippe in den Kamin. Ich habe die Kassette nie geöffnet. Ich habe sie einfach vergessen. Erst mit dem Umzug ist sie wieder aufgetaucht, in irgendeiner Kiste. Jetzt ist sie oben, im Kleiderschrank. Madame Eugénie hat sie neben die so sorgfältig von ihr gefalteten Hemden gelegt.
    Es sieht aus, als würde es ein schöner Tag. Der Birnbaum im Garten hat Früchte angesetzt. Die Kletterhortensien stehen in voller Blüte. Auch bei Rosie ranken sie die Gartenmauer hinauf. Ich habe ihr nicht einmal Bescheid gesagt, daß ich aus Berlin fortgezogen bin. Das Glockengeläut einer nahen Kirche ist zu hören, katholische Gegend hier. Es ist acht. Madame Eugénie werkelt in der Küche mit Geschirr. Wahrscheinlich kocht sie Kaffee. Auf einmal merke ich die Müdigkeit. Es ist, als zöge mich die letzte Nacht zu Boden. Meine Knochen sind so schwer, als hätte ich die einer zweiten Person mitzutragen. Ich gehe durch die Küche ins Haus zurück. Madame sieht mich verwundert an. Ich murmele etwas von keinen Schlaf gefunden zu haben und mittags Mona vom Flughafen abholen zu müssen.
    »Bitte wecken Sie mich unbedingt um zehn.«

ZWEIUNDDREISSIG
    Ich habe geschlafen, als hätte mir jemand Morphium verpaßt, traumlos und bleiern. Als Madame Eugénie mich weckt, weiß ich nicht, wo ich bin. Draußen ein strahlender Sommertag. Dann fällt es mir ein: nicht Berlin, sondern Brüssel. Ich gehe, auch nach der Dusche noch schlaftrunken, in die Küche, nehme im Stehen einen Kaffee.
    »Monsieur, der Karton ist ja leer?! Sind Sie nun fertig oder müssen Sie noch mehr verbrennen? Könnten Sie es bitte in kleinen Portionen tun? Der Aschenhaufen ist so groß, daß er schon auf den Teppich rieselt. Ist es Ihnen recht, wenn ich neues Kaminholz bestelle?«
    Madame Eugénie spricht wieder in einem Ton mit mir, als sei ich irre. Es gibt tatsächlich nichts mehr zu verfeuern. Alle Dokumente zu Perlensamts Familiengeschichte sind verbrannt. Soll sie Kaminholz bestellen, mir egal, vor dem Herbst brauche ich keines mehr. Ich setze mich ins Auto. Der Flughafen ist nah, kaum Verkehr in dieser Richtung. Ich bin eine halbe Stunde zu früh am Ankunftsterminal.
    Und nun kommt Mona. Es stimmt, ich habe an sie gedacht, als ich durch die Räume ging und zusah, wie die Packer die Möbel entluden und Madame die Kisten öffnete. Es war ein Spiel. Aber noch im selben Augenblick, in dem ich mir vorzustellen versuchte, wie Mona in diesem Haus an einem Schreibtisch sitzt, vielleicht auf der zweiten Etage, fühlte ich mich wie gelähmt. David habe ich mir hier nie vorstellen können. Aber manchmal habe ich ihn vermißt.
    Dem Flughafen merkt man an, daß internationale Geschäftsleute kommen und gehen, politische Unterhändler, wenig Touristen. Man sieht es an der Kleidung, einheitlich, offiziell, einfallslos. Man sieht es auch an Blicken und Bewegungen, zielgerichtet, keine vergeudete Energie. Eigentlich widerspricht das der Atmosphäre der Stadt. Brüssel macht auf mich nicht den Eindruck strenger ästhetischer Organisation. Es erscheint mir wie ein Vexierbild, nicht ganz wirklich, und oft genug bei meinen Streifzügen durch die Stadt ging es mir so, als schriebe vor meinen Augen jemand den Ort einfach um, nicht nur den Verlauf der Straßen und Plätze, sondern auch die atmosphärische Dichte und die Konzentration der Bevölkerung, so daß man mitunter die Orientierung verliert.
    Mona hat nicht gesagt, wie lange sie bleiben will. Jemand fragt mich, ob ich auch auf den Flug aus Berlin warte, und weist auf die Tafel. Der Flug hat zehn Minuten Verspätung. Hätte ich Blumen mitbringen sollen? Ich habe mir nicht einmal Gedanken darüber gemacht, was ich ihr zeigen könnte. Vielleicht fahren wir erst einmal in die Stadt, zur Place de Grand Sablón. Es wäre die richtige Zeit, um dort ein kleines Mittagessen einzunehmen.
    Endlich das Zeichen auf dem Display, daß der Flug gelandet ist. Ich hätte ihr doch Blumen mitbringen sollen. Das wäre offizieller gewesen. Sie hätte sie in ihr Zimmer stellen können, im zweiten Stock, wo Madame Eugénie gerade das Bett richtet. Es ist praktisch, daß das Haus mehrere Stockwerke hat. Daß man sich aus dem Weg gehen kann. Auch ein eigenes Bad

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