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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Anonymität brauchen, um ungestört ihrer Wege zu gehen. Diese Stimmung macht es erst möglich, daß Interessen nicht kollidieren – sofern es nicht darum geht, nackt in einem der Teiche des Central Park zu baden, was katastrophenähnliche Reaktionen hervorrufen würde. Ansonsten kann man tun, was man will. Tuchfühlung ist nicht erwünscht. Keine Einmischung. Das wäre Übergriff. Nein, ich war für Monas Wahlverwandtschaften nicht gemacht. Ich fühlte mich nur in jener Flüchtigkeit wohl, die sich an nichts und niemanden bindet.
    Auf der Höhe von Midtown begann es wieder zu schneien. Hank liebte Schnee, und so bat ich den Taxifahrer, uns beim Columbus Circle rauszulassen. In meiner Jugend hätte sich niemand getraut, abends auch nur am Rand des Central Park spazieren zu gehen, geschweige denn, ihn zu durchqueren. Aber inzwischen sah man viele Jogger, auch Spaziergänger mit ihren Hunden. Hank sprang nach den Flocken und tobte ihnen wild hinterher. Als wir endlich zu Hause waren, war er fast zu erschöpft, um zu fressen.
    Meinen Besuch bei Bob wiederholte ich nicht. Wir telephonierten noch ein, zwei Mal, und auf diese Weise verabschiedete ich mich auch, als Gabriel eine Woche später von seiner Reise zurückkam. So war ich wieder einmal zu Hause gewesen, ohne Rosie zu sehen.
    Mitte Januar saß ich wieder am Schreibtisch. Auch Mona war aus den Weihnachtsferien zurück. Sie fragte nicht nach, warum ich mich am Abend des Weihnachtsempfangs auf ihre Nachricht nicht gemeldet hatte. Und ich fragte nicht, warum sie so plötzlich gegangen war. Ab und zu fiel mir Perlensamts Behauptung ein, Mona sei von ihm schwanger gewesen. Ich schob den Gedanken fort. Ich dachte immer häufiger an einen Umzug, einen neuen Job. Auf einmal schien mir das die Lösung meines Problems zu sein.
    Gegen Ende März mußte ich nach London zu einem internationalen Treffen der Kollegen reisen. Nach den Vorträgen ging ich in einen nahegelegenen Pub beim Piccadilly. Dort lief mir François Pfeiffer über den Weg. Ich kannte ihn flüchtig, wußte aber nur zu gut, wer er war. Er inszenierte sich als Anwalt der Ohnmächtigen. Sein letzter Griff war ein Bild von Berthe Morisot gewesen. Er hatte das Porträt, nachdem es für Jahrzehnte als verschollen galt, bei einer Auktion beschlagnahmen lassen. Danach war es einer jüdischen Familie, die in London lebte, zurückgegeben worden. Pfeiffer war durch solche Aktionen bekannt geworden und eine Zeit lang als professioneller Bilderfahnder durch die Presse gerauscht. Er hatte seine eigenen Methoden. Bei ihm heiligte der Zweck die Mittel, das machte ihn nicht gerade beliebt. Keine Frage, durch die Provisionen, die er von seinen Schützlingen kassierte, war er reich geworden. Er hatte die Branche in Verruf gebracht. Manche Leute verwechselten inzwischen Auktionshäuser mit Kerlen wie ihm. Ich fand ihn schmierig.
    »Der versierteste Kunsthistoriker des deutschen Auktionsgeschäfts – und heute ganz besonders elegant. Lange nicht gesehen, Saunders. Sie sind doch zur Zeit bei NOBBLE NYC in Berlin, nicht wahr?«
    »Nein, zur Zeit bin ich in London in einem Pub.«
    Ich bestellte ein Bier, legte das Geld passend auf den Tresen und suchte mir einen Platz. Ich hatte keine Lust, mit Pfeiffer zu reden. Meistens wollte er was. Pfeiffer kam mir hinterher und feixte. Sein dünner Oberlippenbart sah aus wie Fliegenschiß. Es ging die Legende um, daß man ihn nicht beleidigen konnte. Eher war vorstellbar, daß ihm abgetrennte Glieder auf der Stelle nachwachsen würden.
    »Sagt Ihnen der Name Perlensamt etwas? Haben Sie etwas davon mitgekriegt? Eine seltsame Geschichte.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie kennen Perlensamt?«
    »Aus der Presse. Ich habe von der Geschichte gehört. Wie wir alle, nehme ich an.«
    »Sie sind nicht bei ihm gewesen? Es heißt, er hat Ihnen etwas angeboten von dem Zeug.«
    »Sie sagen Zeug? Man hört doch, daß es eine außerordentliche Sammlung ist.«
    »Außerordentlich, ja, das ist das richtige Wort. Ich habe die Liste im Netz gesehen. Da sind zwei Bilder drauf, die ich vor drei Jahren schon an die rechtmäßigen Eigentümer zurückvermitteln konnte.«
    Ich glaubte ihm kein Wort. Ich hielt sein Gerede für eine Finte, mit der er mich aus der Reserve locken wollte. Ich trankmein Bier aus und verabschiedete mich.

EINUNDDREISSIG
    Als ich wieder in Berlin war, rief Rosie an. Nach dem Tod der Großeltern hatte sie das kleine Haus in Langenfeld geerbt und vermietet. Sie hatte nichts daraus haben wollen

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