Perlensamt
ist vieles bemerkenswert.«
David schien tiefer in den Sessel zu sinken, müde, der Fragen überdrüssig. Seine frivole Ausstrahlung war verpufft.
»Perlensamt.«
Ich intonierte den Namen wie ein poetisches Bild, das nicht passen will, aber so leicht nicht auszutauschen ist.
»Perlensamt klingt – ungewöhnlich.«
Ich hatte etwas anderes sagen wollen, wagte es aber nicht. Ich wollte nichts sagen, was Perlensamt hätte mißverstehen können. Ich versuchte, mein Unbehagen zu überspielen, indem ich weiterplapperte.
»Ihr Vater hat eine nicht unwichtige Erfindung gemacht.«
»Und Geld. Der Name klingt ausgestorben – besser sollte ich sagen: ausgerottet. Er klingt wie ein jüdischer Name. Aber wir sind keine Juden.«
Seine Sätze zerbrachen beim Sprechen. Ich konnte ihn kaum verstehen in dieser Halle, zwischen den Samtportieren und der überladenen Dekoration. Ich fragte mich, ob das die Spuren waren, die die Tote hinterlassen hatte. Beliebt sei sie gewesen, immer gut gelaunt, eine angenehme Gastgeberin, vornehme Erscheinung an der Seite ihres Mannes, sein Glanzlicht. Makaber, daß er ausgerechnet darauf zielte und traf. Das alles machte keinen Sinn. Vielleicht wirkte die Wohnung so seltsam und überladen, weil sich die dort übereinander lagernden Schichten gegenseitig abstießen, Krieg in einem Körper, der fremde Organe nicht akzeptiert.
»Mein … Vater … er hat gern den Eindruck erweckt … Sie haben keine Ahnung, von wem ich rede … wer … was … das … für ein Mann ist. Unser Name hat keine …«
»Ja?«
David starrte auf seine Hände. Offenbar hatte er etwas nicht bedacht, das ihn jetzt innehalten ließ. Am linken kleinen Finger trug er einen Siegelring. Die oval gefaßte, gravierte Platte sah aus wie ein Wappen. Der Schmuck war schön und ganz sicher alt. Gern hätte ich ihn in die Hand genommen und näher betrachtet. Einen Ehering trug Perlensamt nicht. Auch die Presse hatte nichts von einer Frau oder Kindern erwähnt. David griff nach dem Ring und drehte ihn.
»Nichts von Bedeutung. Wo war ich stehengeblieben? Ach so, ja, keine Reputation, wollte ich sagen, oder nicht mehr als die eines deutschen Straßenköters durch die Jahrhunderte hindurch.«
»Die Sammlung scheint eine etwas andere Haltung zu spiegeln.«
»Die Sammlung, ja natürlich. Manchmal denke ich, mein Großvater begann überhaupt nur zu sammeln, damit man diese Familie für besonders hielt. Arme Perlensamts. Und dann hat der alte Herr auch noch mit mir eine Bruchlandung gemacht. Haben Sie irgend etwas mit Bildern zu tun? Ihr Blick wirkt so … kundig.«
Ich zögerte einen Augenblick. Dann überreichte ich Perlensamt meine Geschäftskarte.
»Ach, deswegen. Ich habe es mit einem Profi zu tun. Ich hatte keine Ahnung …«
»Und ich hatte keine Ahnung, was mich hier erwarten würde. Degas, Courbet, doch nicht etwa in den hinteren Räumen noch Picasso und Braque?«
Perlensamt schien irritiert, vielleicht auch nur geistesabwesend. Dann fing er sich wieder. »Sie sagten, Ihre Großmutter wohnte in Paris?«
»Sie ist tot. Schon lange. Sie wohnte im 16. Arrondissement.«
Was hätte Rosie zu dieser unverschämten Lüge gesagt?
»Ach, das ist in der Nähe von Tante Edwige. Interessant, ein wahrhaft historisches Viertel, dieses Sechzehnte. Alfred, mein Vater … ich meine, Françoise, vielmehr Suzanne, die Mutter von Edwige und meinem Vater.« Es war nicht ganz klar, was ihn stottern ließ. Er machte eine Pause, trank einen Schluck und stieß dann hervor, »Großmutter Perlensamt war Französin.«
Es klang, als hätte er ein folgenschweres Geständnis gemacht.
»Ach, Ihre Familie kommt aus Frankreich? Davon stand gar nichts in der Presse. Dann sind Sie in Frankreich aufgewachsen?«
»Nein, unsere Familie kommt nicht aus Frankreich. Jedenfalls nicht direkt. Mein Großvater lernte in Paris meine Großmutter kennen. Er war … er arbeitete für die Regierung, sonst …«, er zögerte, »… wäre er wohl kaum nach Deutschland zurückgegangen nach dem Krieg. Heute lebt nur noch Tante Edwige in Paris. Sie wohnt in der Rue Lauriston, wo damals viele Deutsche wohnten, meine Großeltern auch. Es war eine Art … Kolonie. Damals.«
»Damals?«
David sah mich an, als wüßte er nicht, ob es gut sei, mir mehr zu erzählen. »Bis ’44. Bis Paris befreit wurde, wohnten die Großeltern dort. Und Ihre Großmutter, wo wohnte sie?«
»In der Rue Greuze.«
»Das ist sozusagen um die Ecke. Wunderbar. Aber leider – na, Sie wissen ja um
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