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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Ohren frei. Ein makellos geschminktes Gesicht mit erdbeerrot nachgezogenen Lippen. Erst später wurde mir klar, daß Edwige Abèz nicht nur äußerlich, sondern in ihrem ganzen Gebaren das genaue Gegenteil ihrer Schwägerin sein mußte.
    Sie plauderte, als kennten wir uns längst.
    »David ist spurlos verschwunden, der Narr. Wahrscheinlich badet er mal wieder in Eigensinn.« Ihre Bemerkung klang ironisch. »Sie sagten, Sie hätten sich vor kurzem noch mit ihm getroffen, Herr …?«
    Ich reichte ihr meine Karte.
    »… Dr. Saunders? Kommen Sie doch bitte mit hinauf.«
    »Was meinen Sie mit ›verschwunden‹?«
    »Weg, ohne ein Wort, wohin.«
    Sie ging vor mir die Treppe hinauf. In der Halle bat sie mich, Platz zu nehmen. Sie verschwand in dem dunklen Gang. Mein erster Blick galt der Petersburger Hängung. Der Courbet war an seinem Platz. David hatte also kein heimliches Angebot gemacht.
    Edwige kam schnell zurück.
    »Wie nett, daß Sie sich um David kümmern, Herr Dr. Sanders.«
    »Saunders. Ein amerikanischer Name. Ich bin nicht von hier.«
    »Ah! Aber Sie sprechen sehr gut Deutsch, hervorragend, besser als ich. Ich mache inzwischen so viele Fehler. Aber Sie wissen sicher, daß man sogar seine Muttersprache verlieren kann.«
    Wir wurden von der Haushälterin unterbrochen, die fragte, was sie servieren sollte.
    »Bitte bringen Sie uns Tee und Gebäck, Frau Arno. Das ist Herr Dr. Saunders, ein Freund von David.«
    Sie nickte mir freundlich zu, sagte aber nicht, daß wir uns von meinen Besuchen im Haus bereits kannten. Vielleicht übte sie sich in Zurückhaltung.
    »Herr Dr. Saunders weiß auch nicht, wohin David ist.«
    »Aber gnädige Frau, Sie kennen doch unseren David!«
    Ich hatte den Eindruck, daß Frau Abèz der Haushälterin dankbar für diese Worte war. Sie seufzte, bevor sie weitersprach.
    »Ich fürchte, Frau Arno, Sie kennen ihn wesentlich besser als ich. Immer wenn ich meine, ich hätte«, Edwige sprach den Satz nicht zu Ende. Sie wandte sich wieder zu mir. »Es ist jedenfalls reizend, gerade jetzt, daß Sie kommen. Er hat leider«, sie zögerte einen Moment, als überlegte sie, ob sie so weit gehen dürfte, »er hat leider nicht viele Freunde – wie üblich bei etwas exzentrischen Menschen. Ich mache mir Sorgen um ihn, deswegen bin ich hier. Und er ist weg. Diese Geschichte …«
    »Frau Abèz, David Perlensamt und ich kennen uns – durch Zufall. Ich kehrte zurück, weil ich einige Fragen hatte, die Sammlung betreffend.«
    Nichts lag mir ferner, als daß sie auf falsche Gedanken kam. Was ging es Davids Tante an, ob David und ich befreundet waren und wie eng. Es ging niemanden etwas an. Ich wies auf das Bild.
    »Der Courbet, Sie verstehen? Ich wollte Genaueres erfahren. Wie Sie auf meiner Karte sehen, arbeite ich bei der hiesigen Dependance von NOBBLE NYC . Uns wurde vor kurzer Zeit ein Gemälde wie dieses da angeboten. Ich wollte Ihren Neffen um Auskunft bitten. Die Situation ist verwirrend. Courbet hat das Motiv nicht nur einmal gemalt.«
    Sie schien enttäuscht. »Ich hatte gehofft …« Sie verstummte. »In dieser Situation …«
    »Ich las von dem Unglück, das Davids Mutter traf. Es ist schrecklich.«
    Ihr Gesicht wechselte plötzlich den Ausdruck. Sie versuchte nicht einmal, sich zu beherrschen. Eine Dame in fortgeschrittenem Alter, die nur darauf wartet, in Wut zu geraten. In dem Augenblick, als Edwige Abèz sagte, »Es war kein Unglück«, kam die Haushälterin mit einem Tablett herein und lenkte von dem energischen Satz ab. Nachdem Frau Arno gegangen war, wiederholte Edwige, was sie gesagt hatte. Sie reichte mir Tee.
    »Ich kann mir kaum vorstellen, daß David Ihnen etwas von dieser«, das folgende Wort sprach sie so langsam aus, als würden die einzelnen Buchstaben bitter schmecken, »Sammlung anzubieten hat. Man redet hier immer von Familienerbe, einschließlich dieser«, sie sah sich angewidert um, »Umgebung und der Adresse, für die man in der Familie Perlensamt offenbar eine Vorliebe hegt.«
    Sie schien sich nicht zur Familie zu zählen.
    »Maurice und Miriam haben eine glänzende Fassade aufgebaut – vielleicht hat mein Bruder diese Neigung von unserem Vater. Auch Paul war – aber das führt zu weit. David jedenfalls paßte nie in die, wie soll ich sagen, gesellschaftsorientierte Welt seiner Eltern. Er war immer an den Dingen selbst interessiert. Meine Schwägerin war ehrgeizig, geradezu verbissen. Sie interessierte sich nur dafür, gesellschaftlich voranzukommen. Ich weiß nicht

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