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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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verunglückt waren, tauchte diese Wohnung auf, als Bestandteil eines unerwarteten Erbes. Sie hatte der Familie Abetz schon gehört, als sie in Berlin lebte. Mein Großvater arbeitete für die Dienststelle Ribbentrop als Frankreichreferent, bevor er als Botschafter nach Paris gesandt wurde. Er hatte wohl gegenüber meinem Vater einmal erwähnt, daß die Familie im Berliner Westen eine große Wohnung besaß. Aber als mein Großvater festgenommen und verurteilt wurde, ging mein Vater davon aus, daß es diese Wohnung längst nicht mehr gebe. Er dachte, sämtlicher Besitz der Familie Abetz sei nach der Flucht und der anschließenden Festnahme in der Pariser Residenz verblieben und dort konfisziert worden, wo er als Kind aufgewachsen ist. Die Großmutter ging mit Vater und Edwige ins Rheinland, später folgte mein Großvater ihnen nach Langenfeld, wo sie verunglückt sind. Bestattet wurden sie in der Nähe von Karlsruhe, glaube ich.«
    »Edwige – sie nennt sich Abèz …«
    »Ihre französische Version des Namens.«
    »Sie hat gesagt, sie sei in Berlin geboren, irgendwo im Bayerischen Viertel …«, warf ich halbherzig ein.
    »Kann sein, daß Großmutter zunächst auch nach Berlin zurückgekehrt war, da sie nicht wußte, wohin. Das weiß ich nicht genau. Aber wenn Edwige sagte, Bayerisches Viertel, ist das ja der beste Beweis dafür, daß sie diese Wohnung hier vor ihren Kindern geheim gehalten haben.«
    »Und Edwige hast du nie nach den Bildern gefragt?
    »Sie interessiert sich nicht dafür.«
    »Dein Vater hätte versuchen können herauszufinden, was davon Raubkunst ist, um die Bilder den rechtmäßigen Eignern zuzuführen. Das hätte ihn vielleicht entlastet. Schließlich ist er nicht selbst der Schuldige gewesen, nur – der Erbe. Er hätte die Not, in der er sich befand – Entschuldigung – befindet, meine ich, in …«
    David unterbrach mich.
    »Ja, sicher, das wäre nobel gewesen. Ich hätte mir das gewünscht. Aber da war nichts zu machen. Ich war manchmal nahe dran, es selbst in die Hand zu nehmen. Aber die schwache Gesundheit meiner Mutter – außerdem, du weißt doch, wie kompliziert das ist. Allein die Suche. Viele der ehemaligen Eigentümer leben in einem anderen Teil der Welt, irgendwo zwischen Australien und Nebraska. Sofern sie überhaupt noch leben, tun sie das oft unter anderem Namen. Finde die mal. Meistens muß man nach den möglichen Erben Ausschau halten. Wovon soll ich diese Recherche bezahlen? Das ist eine Lebensaufgabe. Aber vielleicht werde ich genau das jetzt tun.«
    Plötzlich hatte ich verstanden. Natürlich ging ich täglich in der Firma mit diesem Thema um. Aber ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, den die Geschichte auf diese Art zu erdrücken drohte.
    »Es muß sehr schwer sein für dich, auch wenn – oder weil du nichts damit zu tun hast.«
    »Du bist sehr verständnisvoll, obwohl du das unmöglich verstehen kannst. Das ist wirklich eine urdeutsche Sache, das mit der Schuld. Natürlich kann man das nicht erben. Und doch fühlt man sich so, als hätte man es geerbt. Man tastet sich ständig danach ab, wie nach Ähnlichkeiten des Gesichts, nach Eigenarten des Charakters. Man kommt da nicht raus.«
    »Schon vor Gericht hat man dich für deine Souveränität und Ruhe bewundert. Es war in der Presse nachzulesen.«
    »Es ist nicht leicht. Aber es gibt andere, die es schwerer haben. Stell dir nur die Nachkommen der Aristokraten vor, die ihren geerbten Titel mit dem Nationalsozialismus verbinden müssen. Abetz heißen auch andere, so wie es andere Görings und Bormanns gibt. Die gliedern sich viel einfacher wieder in den Alltag ein. Aber die Ritter von Epp, das Fürstengeschlecht Eulenburg, die Herzöge von Mecklenburg – die sind wirklich exponiert. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich verstand kein Wort. Ich kannte mich weder in deutschen noch anderen europäischen Adelsgeschlechtern aus, geschweige denn, daß mir einzelne Namen etwas sagten.
    »Der Name Hitler ist doch auch nicht aristokratisch. Du meinst doch wohl nicht, deswegen gliedere der sich besser wieder in den Alltag ein.«
    »Wie soll ich dir die Bedeutung der Aristokratie für Deutschland erklären – besonders für die deutsche Diplomatie?«
    David lachte unglücklich.
    »Ich wollte sagen, ich habe Verständnis dafür, wenn manche meinen, sie trügen ein schwereres Erbe, weil sie aus aristokratischen Familien stammen. Wir sind einfach keine so auffällige Familie. Hier in Deutschland ist der Name Abetz ja auch fast

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