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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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was Sie meinen. Es ist immer auch eine Frage, für welche Kunst. Und was man sich leisten kann. Einstweilen kümmere ich mich um die Gärten.«
    Es stellte sich heraus, daß ich Glück gehabt hatte, sie überhaupt zu erreichen. Edwige lebte vornehmlich auf dem Land. Sie war Gartenarchitektin. Als einfacher Lehrling in einer Gärtnerei hatte sie angefangen und sich dann hochgedient, offenbar mit Erfolg. Eine Wohnung in dieser Lage mußte ein Vermögen kosten.
    »Dann haben Sie also mit der Firma Perlensamt gar nichts zu tun?«
    Sie überging die Frage und lenkte das Thema auf jenen Punkt, mit dem sie vor Wochen in Berlin die Unterhaltung beendet hatte: David. Es schien für sie kein anderes Thema zu geben. Den Perlensamts ging es gut, als der Kronprinz zur Welt kam. Sie hatten sich unbedingt einen Stammhalter gewünscht. Und doch ließ Edwige keinen Zweifel daran, daß David nie eine liebende Mutter gehabt hatte. Keinen Vater, der stolz auf ihn war. Die Perlensamts hatten immer den Eindruck eines kinderlosen Ehepaars erweckt und David im Verborgenen heranwachsen lassen. Edwiges Stimme klang bitter. Als wollte sie ablenken von ihrer Gefühlsäußerung, fragte sie mich, ob ich noch etwas trinken wollte. Sie stand eilig auf, um mein Glas nachzuschenken und die Hors d’æuvres aufzufüllen, aber mein Glas war noch dreiviertel voll, und keiner von uns hatte sich an den Nüssen und Oliven bedient. Als sie wieder saß, schien sich ihre Nervosität gelegt zu haben. Sie fuhr nahtlos fort. Alfred Perlensamt hatte Angst gehabt, den Jungen zu verwöhnen. Er sollte Leistungen erbringen, sich beweisen, nicht zimperlich sein. Nach einem Studium und in entsprechendem Alter sollte er die Firma übernehmen, den fachlichen Ruhm seines Vaters fortführen, am besten übertreffen.
    »Ich machte mir erst sehr spät klar, daß mein Bruder ein Schwächling ist. Schwache Menschen können grausam sein.«
    Davids Leben hatte bereits schrecklich begonnen. Die Wehen dauerten einen Tag und eine Nacht lang und hatten die Mutter vollkommen erschöpft. Sie hatte vierundzwanzig Stunden lang vor Schmerzen geschrien, bis das winzige, zarte Kind zur Welt kam. David wurde einer Kinderschwester übergeben. Einige Tage lang verweigerte er die Nahrung und geriet in Lebensgefahr. Edwige war davon überzeugt, daß David durch die Trennung von seiner Mutter an einem Trauma litt. Es konnte gar nicht anders sein: Er hatte die Wärme seiner Mutter vermißt.
    »Sind Sie bei seiner Geburt dabei gewesen? Sie erzählen das so plastisch, als hätten Sie alles miterlebt.«
    Sie antwortete ausweichend. Nach der schweren Geburt hatte sie sich ab und zu im Haus Perlensamt erkundigt, wie es ihrer Schwägerin und dem Kleinen ginge. Man hatte ihr zu verstehen gegeben, daß Miriam und das Kind Ruhe bräuchten und daß sie von ihren Anrufen absehen möge. Sie hatte sich schon vorher von der Familie ihres Bruders entfernt, allein schon durch die geographische Distanz. Im übrigen hatten sie sich nie besonders nahe gestanden. Der Namenswechsel hatte sie unangenehm berührt. Sie interessierte sich nicht für die Familie ihres Bruders, ausgenommen David. Er hatte ihr immer leid getan. Ihm hätte sie gerne geholfen.
    »Ich hatte gehofft, nach Miriams Tod würde sich etwas ändern. Ich hatte versucht, David dahingehend zu bestärken, unabhängig zu werden, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Er hat immer nur auf diese unzufriedenen, mürrischen Eltern gehört.«
    Edwige erwähnte den Tod ihres Bruders immer noch nicht.
    »Es hat Sie niemand angerufen aus Berlin? David nicht und auch nicht die Staatsanwaltschaft?«
    »Warum sollte mich jemand angerufen haben?«
    Sie trank einen Schluck Wein. Endlich schien sie sich zu entspannen. Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück und räkelte sich. Es mußte auf Mitternacht zugehen. Die Luft, die von der Terrasse durch den Türspalt drang, war immer noch mild, vermischt mit einer Spur herbstlicher Kühle. Von fern versicherten die großstädtischen Geräusche uns, die Welt ginge ihren Geschäften nach, während wir in der luxuriösen Geborgenheit über den Dächern der Stadt miteinander sprachen.
    »Man hat Ihren Bruder gefunden. Er ist tot.«
    Sie verschluckte sich und begann zu husten. Sie sprang keuchend auf, lief hin und her und hatte regelrecht Not, sich Luft zu verschaffen.
    »Wo?« stieß sie mühsam hervor. »Wo hat man ihn gefunden? Wer ist es gewesen?«, ergänzte sie.
    »Nun, man hat ihn natürlich in seiner Zelle gefunden, wo sonst?

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