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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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erreichte ich in dem Augenblick das Flo, als Edwige hineinging. Hastig schlüpfte ich hinterher.
    »Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen nicht zuvor gekommen bin. Ich bin aufgehalten worden.«
    Ihre Mundwinkel zuckten belustigt, als ahnte sie, von wem. Meine Entschuldigung schien sie zu amüsieren. Der kleine Abtausch ging nahtlos unter in dem Empfangskomitee, das sich uns bot. Der Rezeptionschef kannte sie, der Tischkellner kannte sie, die Frau am Büffet kannte sie. Madame wurde von allen Seiten euphorisch begrüßt. Man führte uns zu einem Tisch, dem besten, wie der Maître stolz erklärte. Die Brasserie war bis an die Grenze von Nebel verraucht. Blechgeschirr klapperte. Die Ober riefen die Bestellungen quer durch den Raum, eilten von der Küche zum Tresen, vom Tresen zu den Tischen und wieder in die Küche. Wir saßen kaum, da hatten wir eine Karaffe mit Wasser und einen Kühler mit Weißwein auf dem Tisch, dazu zwei Speisekarten, alles in Eile. Als hätten wir zum Essen kaum eine halbe Stunde Zeit. Als ich die Karte aufschlug, war ich erstaunt über die Preise. Sie waren weit höher, als der Lärm und der nonchalante Betrieb es hätten vermuten lassen. Lediglich die weiß gedeckten Tische und die Stoffservietten standen dafür. Es schien das für eine Brasserie Übliche zu geben, Austern, Seeschnecken, Krebse, eine gemischte Platte mit Meeresfrüchten, verschiedene Steaks, die klassischen Vorspeisen und Desserts. Edwige warf nicht einmal einen Blick in die Karte. Nach wenigen Minuten – ich hatte gerade die Vorspeisen durchgelesen – stand der Kellner wieder am Tisch.
    »Haben Sie sich entschieden?«
    Auch Edwige schien ungeduldig. Ich hatte den Eindruck, sie mache sich immer noch über mich lustig. Sie bestellte. Ein wenig gehetzt folgte ich ihr und bestellte das Erstbeste, das ich sah.
    »Wie kommen Sie auf diese Gegend?«
    »Es ist mein Stammlokal, seit fast vierzig Jahren. Ich habe mal in diesem Quartier gelebt, zwei Straßen weiter. Das Flo ist eine der besten Brasserien der Stadt. Hierhin verirrt sich kein Fremder. Touristen fühlen sich hier unsicher, mögen die Gegend und das Ambiente nicht. Es ist nicht elegant, das sehen Sie ja, kein Ort, um sich zu zeigen. Das Essen ist nicht raffiniert. Aber die Sachen, die auf den Tisch kommen, sind von ausgezeichneter Qualität. Und manchmal, wenn ich oben im weißen Passy bin, habe ich Sehnsucht nach diesen Gassen. Hier war mein Anfang. Ich schnuppere das ab und zu. Es sagt mir, daß ich rausgekommen bin, nicht weg von hier, sondern weg von Berlin. Allerdings ist es etwas gefährlicher geworden. Die Leute sind arm. Man hätte mir das letzte Mal beinahe die Handtasche geklaut.« Sie lachte. »Ich habe mir mit drei maghrebinischen Jungs eine Prügelei geliefert, direkt hier um die Ecke, bis ein alter Bekannter kam und mir half.«
    »Alte Bekannte haben Sie also auch noch hier.«
    Sie wußte, daß ich nicht zum Plaudern gekommen war. Auch Rosie konnte sich auf diese Weise unbeteiligt zeigen. Sie registrierte sehr genau die Wünsche ihres Gegenübers, tat aber gleichzeitig so, als nähme sie nichts dergleichen wahr.
    »Sie wollten etwas mit mir besprechen«, sagte sie, als wir uns zugeprostet hatten.
    »Haben Sie in der letzten Zeit ferngesehen?«
    »Das tue ich nie.«
    »Mit David gesprochen?«
    Sie hob die Augenbrauen. »Was sind das für Fragen?«
    »Er ist dabei, einen Skandal anzuzetteln.«
    »Das wäre nicht das erste Mal. Er liebt das. Es ist das Geltungsbedürfnis eines unbeachteten Kindes. Der einzige, der sich je darüber aufgeregt hat, war mein Bruder, und der ist ja nun tot. Ist das alles, was Sie mir sagen wollten? Ein bißchen dringend gemacht, oder? Ich komme normalerweise nicht einfach so vom Land zurück. Die ganzen Kameliensetzlinge des vergangenen Jahres müssen noch versorgt werden. Und dann – na ja, davon verstehen Sie wohl nichts. Diese Jahreszeit ist sehr wichtig für mich.«
    Sie sah mich prüfend an.
    »Sie hatten versprochen mir zu sagen, was in dem Umschlag war, den die Staatsanwaltschaft Ihnen avisierte.«
    Das klang wie ein Vorwurf. Ich ging nicht darauf ein. Dieses Mal würde ich das Gespräch führen.
    »Der Skandal, den er anzettelt, ist nicht gerade privat. Er könnte in wenigen Wochen über alle Sender gehen, auch hier. Es hat mit der Sammlung zu tun.«
    »Die Sammlung, aber ja, die Sammlung. Das erwähnten Sie bereits. David hat sich immer sehr für Kunst interessiert. Die Kunst ist sein Leben. Vielleicht wird sie sein Tod.

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