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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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dem ein ähnliches Schild angebracht war wie in S0H0. Auf der Südseite der 65. Straße, zwischen Madison und Fifth Avenue, fand ich ein schmales weißgestrichenes Stadthaus. A.B. Karma-Astrologie. Sprechstunden nur nach Vereinbarung stand auf dem Messingschild. Gegenüber gab es eine Trattoria. Ich setzte mich ans Fenster, bestellte und beobachtete den Eingang gegenüber. Bis zum frühen Abend geschah nichts. Ich zahlte und verließ enttäuscht das Restaurant. Auf der Straße stehend, überlegte ich kurz, ob ich einfach klingeln sollte. Ich verwarf die Idee sofort wieder. Ich wollte Rosies Geheimnis nicht zerstören. In dem Augenblick, als ich mich in Richtung Central Park wandte, fuhr eine Limousine vor. Eine Frau mit grau-violettem Haar stieg aus. Sie trug, wie die Adelaide Bride einige Jahre zuvor, eine große schwarze Sonnenbrille. Mit einigen Tüten von Saks, Bergdorf und Bendell’s an der Hand ging sie auf das Haus zu und schloß auf.
    Wenige Monate später zogen Bob und Rosie von Park Slope nach Brooklyn Heights in ein wunderschönes Haus an der Promenade mit Blick auf Süd-Manhattan. Jeder Wolkenkratzer war von hier aus besser zu sehen als in der Stadt, das Chrysler, das Empire, in der Ferne die AT&T Gebäude und der Trump Tower, alle bei weitem vom World Trade Center überragt. Um all das habe ich mich lange Zeit nicht mehr gekümmert. Ich verhalte mich Rosie gegenüber, wie sie sich ihren Eltern gegenüber verhalten hat. Dabei liebe ich New York. Es ist mein Zuhause. Nie wird eine andere Stadt an sie heranreichen. Gern hätte ich sie David gezeigt.
    Ich entscheide mich für ein Restaurant an der Place du Grand Sablón. In dem Augenblick, als ich es betreten will, sehe ich David die Straße hinunterschlendern. Eine Halluzination. So weit also bin ich schon, daß sich meine Wahrnehmung verwirrt. Der Mann überquert den Platz in Richtung Rue Allard. Er dreht sich nicht um. Ich folge ihm, als hinge ich an einer Schnur. Mein Herz beginnt heftig zu pochen. Mir war nicht klar, wie sehr ich David vermißt habe. Der Mann klingelt bei einer Galerie. Eine junge Dame im Fond steht von ihrem Schreibtisch auf und öffnet ihm. Sie begrüßen sich herzlich,lachen. Er dreht sich um. Es ist David. Ich habe keine Halluzination. Er wirft nicht einmal einen Blick auf die Kunst, sondern folgt der jungen Frau in die Tiefe des Raums. Sie nimmt den Hörer, beginnt zu telephonieren, nickt ihm zu. Er lächelt, nickt zurück, blättert in einer Zeitschrift, dann fährt er sich mit dieser typischen Geste durchs Haar. Ich meine, sein Eau de Toilette riechen zu können. Ich könnte hier einfach warten, sehen, was passiert. Ich könnte mir ein Taxi nach Hause nehmen und Madame damit beauftragen, die restlichen Papiere zu verbrennen. Ich könnte Mona anrufen und ihr erzählen, was ich gerade gesehen habe. Ich tue von all dem nichts.

FÜNFUNDZWANZIG
    Als ich die Tür aufschließe, steht Madame Eugénie wieder als Nachtgespenst vor mir, dieses Mal auf der Treppe. Ich frage mich, was sie zu ihrem Aufzug veranlaßt. Was löst ein Selbstbild aus? Ich sollte ein Buch über das Selbstbildnis verfassen und darin dem Frauenporträt eine besondere Stellung einräumen, von Artemisia Gentileschi bis Cindy Sherman. Das wäre ein mir angemessenes Brüsseler Projekt.
    »Monsieur, die Dame von heute, die aus Berlin, hat noch fünf Mal angerufen. Und zum Schluß hat sie gesagt, Sie möchten sie unbedingt noch heute zurückrufen, egal wie spät in der Nacht.«
    »Ich dachte, Sie verstehen kein Deutsch.«
    »Die Dame hat sich bemüht, Französisch zu sprechen. War das Ihre Frau? Vielleicht will Sie zu Ihnen zurückkehren. Sie sollten ihr eine Chance geben. Sie sprach so reizend, und ich glaube, sie hatte Tränen in der Stimme.«
    »Sie sprach Französisch?«
    »Sie hat sich sehr bemüht. Ich hoffe sehr, daß Sie heute kein Feuer mehr machen und daß die Anrufe nachlassen. Gute Nacht, Monsieur.«
    »Madame, verzeihen Sie, ist noch etwas zu essen im Haus?«
    »Wollten Sie nicht ausgehen, um zu essen? Sagten Sie nicht, Sie …«
    »Ja schon, aber …«
    Vielleicht sehe ich hilflos aus. Erschöpft. Jedenfalls gelingt es mir, ihre Mißbilligung in Mitleid zu verwandeln.
    »Sie sollten nicht solches Schindluder mit Ihrer Gesundheit treiben, Monsieur«, sagt sie streng.
    Sie läuft hinauf und ist wenig später wieder unten. In rosafarbenem Plüsch. Sie sieht aus wie ein gefärbtes Kaninchen. Während ich Monas Nummer wähle, höre ich Madame Eugenie in der

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