Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
Vom Netzwerk:
Tür hinter ihnen öffnete sich, und alle drei erstarrten. »Guten Morgen, Mädchen!«
    Rose starrte ihre Gouvernante an, zusammen mit den beiden anderen. War irgendetwas anders an ihr, das darauf hindeutete, dass sie einen derart radikalen Wandel in ihrem Leben plante? Die roten Flecken auf ihren Wangen zeichneten sich ganz zart ab, und das Funkeln in ihren Augen war weder heller noch matter als sonst. Zugegeben, sie trug neue taubengraue Handschuhe, aber ansonsten war sie wie immer gekleidet, in ihrem langen grauen Rock und der weißen Bluse mit der beige-braunen Brosche am Stehkragen.
    »Fühlen Sie sich nicht wohl, Rose?« Miss Hollingswood musterte sie besorgt.
    Grace kicherte leise, genau wie Lydia, und Rose warf ihrer Schwester einen Blick zu, der sagte: »Wie kannst du dich mit dieser dummen Gans verbünden?«
    »Doch, bestens, danke, Miss Hollingswood.«
    Die Gouvernante musterte sie noch immer. »Das freut mich zu hören. Allerdings sehen Sie heute Morgen ziemlich blass aus, was ich normalerweise eher von Ihrer Schwester gewohnt bin. Nun, wenn Sie sich dennoch bestens fühlen, sollten wir mit der Geografiestunde beginnen.« Sie gab dem Globus einen leichten Schubs. »Wer kann mir sagen, wo Südamerika ist?«
    Sie hatte es geahnt, dachte Rose. Es war nur wieder eine von Lydias Geschichten. Irgendwie konnte sich Rose ihre Gouvernante nicht als Ehefrau vorstellen wie Mama oder Lydias Mutter. Beunruhigenderweise fiel es ihr auch schwer, sich selbst als Ehefrau vorzustellen. Angenommen, sie heiratete einen Mann, der ihr untersagte zu malen, so wie Papa es Mama verboten hatte, eines der Geheimnisse, die Ga Ga ihr enthüllt hatte. Außerdem konnte sie keinen Mann heiraten, der zu weit von Grace entfernt lebte. Ein Leben ohne ihre Schwester war unvorstellbar, und obwohl sie es nicht anders kannte, war ihre Freundschaft seit der Geburt von Phoebe, die noch viel zu klein war, um an ihrem fröhlichen Geplänkel teilzunehmen, noch stärker geworden.
    Vertieft in die Verlockungen und Geheimnisse von Südamerika, während ihre Gedanken um die unglaubliche Vorstellung kreisten, dass es so weit entfernt einen solchen Ort geben konnte, vergaß sie völlig die angebliche Hochzeit von Miss Hollingswood, bis es Mittag schlug. Während ihre Gouvernante ihre Aufsätze über »Das Leben der Ureinwohner« einsammelte, hörte Rose sie plötzlich sagen: »Ich fürchte leider, Mädchen, dass dies wohl für absehbare Zeit eine unserer letzten gemeinsamen Unterrichtsstunden gewesen sein wird.«
    Rose zuckte zusammen, während Lydia ihr auf eine »Ich habe es dir doch gesagt«-Art einen heftigen Tritt unter dem Tisch verpasste.
    »Ich habe mich verlobt und werde bald heiraten.«
    Falls Miss Hollingswoods kleine rote Flecken nicht schon zuvor geglüht hatten, dann glühten sie nun ganz sicher. »Ich werde Ihnen allerdings noch ein paar Wochen erhalten bleiben, bevor mein Verlobter fortgeht.«
    Die Genugtuung, Lydias erschrockenes Gesicht zu sehen, war fast den Überraschungseffekt der Aussage wert. »Fortgeht?«, wiederholte Grace, bevor Rose dasselbe sagen konnte.
    Das Funkeln in den Augen ihrer Gouvernante trübte sich ein wenig. »Ich befürchte es leider, Mädchen. Schließlich, wie Ihr Papa Ihnen sicher gesagt haben wird, befinden wir uns nun im Krieg, nicht wahr?«
    Krieg! Wie konnte Krieg sein? Niemand hatte Rose und Grace etwas davon gesagt, und obwohl Lydia so tat, als habe sie es gewusst, ließ ihre Miene etwas anderes vermuten. Es stellte sich heraus, dass der Krieg erst am Tag zuvor ausgerufen worden war, was vielleicht erklärte, wie die Schwestern in ihrem eindringlichen Gutenachtgeflüster mutmaßten, warum ihr Vater ein noch ernsteres Gesicht mit sich herumführte als sonst. Aber die Dienstboten. Warum hatten sie nichts gesagt?
    Sie erfuhren es bald. Aus dem Bedürfnis heraus, die Mädchen zu beschützen, hatte Papa jedem verboten, ihnen etwas zu sagen, in der Hoffnung, »dass dieser Sturm vorüberziehen wird«, wie er es ausdrückte. Als sie vor dem Abendessen zu ihm liefen und ihn fragten, ob es möglich sei, dass sie alle heute Nacht in ihren Betten getötet wurden, verlangte er zu wissen, wer sie informiert hatte.
    Danach sahen sie Miss Hollingswood niemals wieder, nicht einmal, um sich von ihr zu verabschieden.
    »Das ist wirklich absolut unfair«, sagte Grace, und Rose musste ihr unweigerlich recht geben. In der Zwischenzeit nahm eine hagere, steife Hauslehrerin Miss Hollingswoods Stelle ein, eine Frau, die, wie

Weitere Kostenlose Bücher