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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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konnte doch sicher nirgendwo hier versteckt sein?
    Verwirrt bemerkte sie, dass Grace ihr mit den Augen Zeichen gab, in Richtung Bett. Und erst jetzt nahm sie wahr, dass ihre Mutter nicht auf ihre Decke starrte, wie sie das sonst immer tat bei Roses seltenen Besuchen. Stattdessen blickte sie auf ein Bündel in weißer Spitze, ein Bündel, das nun sogar einen quiekenden Laut von sich gab. Neben dem Bett lagen eine sorgfältig gefaltete Zeitung und eine Notiz, die die Anweisung enthielt, fünf Guineen auf das Pferd zu setzen, dessen Jockey in Violett antrat.
    Ihre Mutter hob den Kopf. Ihr Gesicht war blass, wie das von Grace. »Nun, Rose, was sagst du zu deiner neuen kleinen Schwester? Ist sie nicht bezaubernd?«

10
    »Aber warum hat man Ihnen gesagt, dass Sie ein Pony geschenkt bekommen?«, fragte einmal jemand aus der Borneo-Gesellschaft in einem Dunst aus Gin und Zigarettenrauch.
    »Meine Schwester und ich haben es vermutet«, versuchte Rose zu erklären. »Papa hatte von einer Überraschung gesprochen. Und da Grace und ich uns immer ein eigenes Pferd gewünscht hatten, dachten wir, dass er das damit meinte. Es war ein Missverständnis.«
    Tatsächlich kam die Pony-Geschichte bei den anderen Kautschukpflanzern und ihren Frauen immer gut an. Pferde und Wetten zählten zu den wenigen Dingen, die allen vertraut waren und Erinnerungen weckten an das Jagen, Fischen und Schießen, womit sie sich früher in der Heimat die Zeit vertrieben hatten. Viele stammten aus Familien, in denen der älteste Sohn das väterliche Unternehmen erbte, sodass der Zweitgeborene gezwungen war, sich eine Betätigung zu suchen, mit der er seinen Lebensunterhalt verdienen konnte und die seinem aristokratischen Rang angemessen war. Andere waren wie Roses Ehemann aus der Welt geflohen, die sie zurückgelassen hatten. Aber zu jener Zeit war Rose das selbstverständlich nicht bewusst.
    Genauso wenig war ihr und Grace bewusst, wie sehr sich ihr Leben in den nächsten Jahren verändern würde. Als sie ihre neugeborene Schwester betrachteten, die den Namen »Phoebe« erhalten sollte, allerdings nicht mit einem »F« geschrieben, wie man hätte annehmen können, wussten sie nicht, was auf sie zukam. Nicht nur, dass ihr Vater immer seltener anwesend war, weil er Soireen besuchte oder sich um Patienten kümmerte. Oder dass ihre Mutter immer mehr aus ihrem Leben verschwand und von der Außenwelt abgeschnitten in ihrem Zimmer lebte. Sie erholte sich von den Strapazen der Geburt ihrer jüngsten Tochter, eine Tortur, deren Folgen sie plagten, noch lange nachdem Phoebe laufen gelernt hatte und in ihrem Kinderzimmer zu plappern begann.
    Nein. Das Leben sollte sich durch zwei andere Ereignisse ändern. Das erste betraf einen Großteil der Welt. Und das zweite würde eine offene Wunde in das Haus des Doktors reißen, die selbst der begabteste Mediziner nur sehr schwer hätte heilen können.
    Ironischerweise, wie bei solchen Dingen üblich, begann es mit einer guten Neuigkeit, einer, die den Bewohnern der Acacia Road 7 ein trügerisches Gefühl des heiteren Erstaunens verschaffte. Ärgerlicherweise war es Lydia, von der sie die Neuigkeit erfuhren. »Miss Hollingswood wird heiraten«, verkündete sie eines Morgens, als sie in das Schulzimmer stolzierte, ausnahmsweise einmal überpünktlich und sichtlich aufgeregt angesichts der Bedeutung einer solchen Nachricht.
    Rose und Grace wechselten einen dieser Blicke, mit denen sie sich stumm verständigten. Er drückte aus: »Wie lächerlich. Dieses Mal übertreibt Lydia aber ganz gewaltig.«
    »Ich habe das nicht erfunden, falls ihr das denkt!«, piepste Lydia, während sie ihre Haube abnahm und ihre Locken schüttelte. »Mama hat es von den Butlers gehört, und die wissen es von ihrer Gouvernante, und die weiß es von Miss Hollingswood persönlich.«
    Grace kicherte. »Aber Miss Hollingswood ist eine Gouvernante. Gouvernanten heiraten nicht. Das weiß doch jeder.«
    Rose hatte das Gefühl, ihr widersprechen zu müssen, weil es in ihren Ohren einen leicht unfairen Beiklang hatte. Aber ihr fiel in dem gesellschaftlichen Umfeld ihrer Eltern partout keine Gouvernante ein, die jemals einen Bräutigam gefunden hatte.
    »Nun, es ist aber wahr.« Lydia machte einen Schmollmund. »Jawohl! Sie heiratet einen Gutsbesitzer, den sie schon seit ihrer Kindheit kennt.« Sie beugte sich vor. »Mama sagt, er ist so alt, dass er ihr Vater sein könnte, außerdem war er bereits verheiratet, aber seine Frau ist gestorben, und so …«
    Die

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