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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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Lydia tuschelte, nicht die geringste Chance habe, jemals unter die Haube zu kommen, und die sie immer ermahnte, die Kerzen zu löschen, weil das Verschwendung sei, obwohl Grace sich im Dunkeln fürchtete.
    Sicher waren die steife Hauslehrerin und die Sorge, was gerade in der Welt geschah, die Auslöser für Graces Rückenschmerzen. Papa dachte zuerst, es liege an ihrem rasanten Körperwachstum, das Fremde immer zu der Annahme verleitete, dass sie die Ältere der Schwestern war, obwohl Rose auch nicht gerade klein war, ein Umstand, den Lydia gerne mit der Feststellung kommentierte, dies werde »leider die Auswahl deiner Verehrer einschränken«. Aber dann war Grace permanent erschöpft und nickte manchmal sogar im Geschichtsunterricht ein, sehr zum Missfallen der steifen Hauslehrerin, die sich prompt bei Papa beschwerte.
    Im Nachhinein betrachtet, war es das Beste, was sie tun konnte, obwohl es weitaus besser gewesen wäre, wenn sie es bereits viele Monate früher getan hätte, als der Knoten noch nicht so groß war. »Wie lange hast du das schon?«, fragte Rose, als Grace sich abends entkleidete, nachdem sie sich einer medizinischen Untersuchung bei einem Kollegen von Papa unterzogen hatte.
    Rose starrte entsetzt auf die runde, fleischige Schwellung mitten auf dem Rücken ihrer Schwester. Grace wandte das blasse Gesicht zum Fenster. »Ich weiß nicht genau. Schließlich kann man sich selbst nicht auf den Rücken schauen, oder? Es ist noch nicht so lange her, dass ich es zum ersten Mal gespürt habe. Weißt du noch, dass ich es kurz nach Weihnachten erwähnt habe? Papa sagt, es ist wahrscheinlich schnell gewachsen.«
    Sie hatte es erwähnt? Wann? Rose konnte sich vage an einen Abend erinnern, als sie in dem schwachen Licht an einer Skizze gearbeitet hatte. Grace hatte erwähnt, dass sie etwas Merkwürdiges im Rücken spürte, was vermutlich darauf zurückzuführen sei, dass sie an diesem langweiligen Abend bei Lydias Mutter, zu dem sie eingeladen waren, zu viel getanzt hatte. Die bloße Erinnerung fühlte sich an wie ein Messer, das sich in Roses eigenen Rücken bohrte.
    Sie hätte es bemerken müssen, wenn sie sich abends entkleideten. Wäre sie in Gedanken nicht immer so mit ihren Farben und Bildern beschäftigt gewesen, während Grace aufpasste, hätte sie es bestimmt gesehen.
    »Das ist alles meine Schuld«, sagte sie zu Ga Ga, als er die neueste Seite in ihrem Skizzenbuch begutachtete. »Ich hätte es bemerken müssen.«
    Ihr Großvater schüttelte den Kopf. »Manchmal, Rose, sehen wir die Dinge, die wir sehen sollten, und auch die, die wir nicht sehen sollten.« Seine Augen waren immer noch auf ihren Entwurf geheftet. »Das ist eine gute Arbeit. Du hast die Konturen sehr gut getroffen. War das eine Kutsche, die gerade zufällig vorbeifuhr?«
    Rose warf einen abfälligen Blick auf das Bild, das ihr bis zu Graces Neuigkeit so wichtig erschienen war. Nun hatte sie den Eindruck, als wäre ihre Malerei verantwortlich dafür, dass sie die Erkrankung ihrer Schwester nicht bemerkt hatte. »Nein. Das war die Kutsche von Lydias Mutter.«
    Ga Ga nickte. »Ich verstehe. Du hast einen guten Blick für Details.«
    Ein Knoten! Grace hatte einen Knoten! Die schockierende Neuigkeit kreiste unablässig in Roses Kopf, sodass sie sich auf nichts anderes konzentrieren konnte. Dann kam ihr ein Gedanke, der ihr Gänsehaut verursachte. Vielleicht war das die Strafe dafür, dass ihre Schwester und sie damals wegen der Perlen nicht die Wahrheit gesagt hatten, und Grace, als Hauptschuldige, hatte in Form einer Krankheit der Zorn des Allmächtigen getroffen.
    »Rose, Liebes. Hast du mich gehört? Ich habe gesagt, du hast einen guten Blick für Details.«
    »Danke.« Die Worte ihres Großvaters klangen hohl in der Luft, und sie sprang auf. Plötzlich hatte sie keine Lust auf die Malstunde heute Abend mit Ga Ga. Sie wollte bei ihrer Schwester sein. Sie im Arm halten. Ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde.
    Es dauerte weitere drei Monate, bis Rose einsah, dass nicht alles wieder gut werden würde. Drei allzu kurze Monate, in denen Grace bald nicht länger aufrecht sitzen, geschweige denn am Unterricht teilnehmen konnte. Im Frühjahr gab man es auf, sie zu unterrichten, und Rose durfte bei ihrer Schwester sitzen und ihr über die Haare streicheln. Selbst Lydia fragte, ob sie einen Krankenbesuch machen dürfe, und zu Roses Bestürzung willigte Grace ein. »Du wirst eine Freundin brauchen«, sagte sie mit dieser leisen, sanften Stimme,

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