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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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gerade die Freitreppe herunter. Nur Angelini war nicht dabei.
    «Perlmann!», rief von Levetzov, der zum dunklen Anzug eine graue Weste trug, die ihm ein distinguiertes Aussehen verlieh.
    Perlmann hatte automatisch zu ihm hingesehen, und jetzt war es unmöglich, einfach weiterzufahren. Er hielt.
    «Nice car», sagte Millar und strich mit den Fingerspitzen über den blitzenden Kotflügel. Ohne sich um die hupenden Autos zu kümmern, ging er mit Kennermiene um den Wagen herum und sah Perlmann dann mit einem Blick an, in dem Überraschung, Neugierde und Anerkennung ineinanderflossen. Jetzt macht mich diese Mordwaffe, die mir wegen der Messe aufgezwungen wurde, auch noch zu einem Mann mit Stil.
    «Nur der Dreck an den Reifen paßt nicht», grinste Ruge, der auch für diesen Anlaß den braunen Anzug mit offenem Hemd trug. Er stieg hinten ein.
    «Es geht schon», wehrte er ab, als Perlmann sich anschickte, den Handkoffer wegzunehmen, um ihn in den Kofferraum zu tun.«Ist sogar ganz bequem», fügte er hinzu und stützte den Ellbogen darauf. Es würde nichts passieren, selbst wenn er hineinsähe. Er kann kein Russisch. Niemand hier kann Russisch.
    Als auch Millar und von Levetzov eingestiegen waren, schnallte sich Perlmann automatisch an und startete den Motor. Das Klicken des einschnappenden Gurts ließ auch Millar, der neben ihm saß, nach dem Gurt greifen. Er ruckte zweimal, und als der Gurt nicht nachgab, drehte er sich auf dem Sitz halb um und zog mit beiden Händen. Perlmann hielt den Atem an. Er spürte den verletzten Finger und merkte, daß die andere Hand, die den Ganghebel im Leerlauf hin und her bewegte, schweißnaß war.
    «Es ist ja nur für dieses kurze Stück», sagte von Levetzov hinter ihm, als Millar gerade ein Knie unter den Körper schieben wollte, um besser untersuchen zu können, woran es lag.
    «Stimmt eigentlich», sagte Millar und lehnte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen bequem im Sitz zurück.«Trotzdem», meinte er, während Perlmann unsanft anfuhr,«man würde erwarten, daß die Sitzgurte in einem solchen Schlitten einwandfrei funktionieren. »
    Bevor Perlmann um die Kurve bog, warf er im Rückspiegel einen letzten Blick auf das verhaßte Hotel und die schräg gewachsene Pinie, die über die Straße hinausragte. Dann überholte er die beiden Frauen, die lieber hatten zu Fuß gehen wollen. Evelyn Mistral trug einen weißen Plisseerock, der bei jedem Schritt schwang, und darüber eine rote Jacke, deren Kragen sie hochgestellt hatte, so daß das aufliegende blonde Haar sich nach außen wölbte. Als sie ihnen mit ihrem strahlenden Lachen zuwinkte, schloß Perlmann die Augen und hätte fast einen Radfahrer gestreift, der plötzlich vom Gehsteig auf die Straße flitzte. In den wenigen Minuten seit der Tankstelle waren alle Distanz und alle Klarheit, die so gefestigt, so endgültig geschienen hatten, verflogen, er bekam in dem vollen Wagen Platzangst, sein Körper verkrampfte sich, und er fuhr eckig wie ein Fahrschüler.
    Millar und Ruge redeten über die Sicherheitsstandards von Autos, über Knautschzonen, nachgebende Lenksäulen, die bei einem Frontalzusammenstoß brachen, und über das Airbag-System. Ruge fuhr einen Volvo, Millar einen Saab.
    «Über diesen Wagen hier habe ich neulich einen Bericht gelesen», sagte Millar und sah Perlmann von der Seite an.«Scheint die sicherste italienische Kiste überhaupt zu sein. »
    «Tatsächlich?»murmelte Perlmann heiser und erwiderte Millars Blick etwas zu spät.
    Vor dem Rathaus fuhr er an mehreren Parklücken, auf welche die anderen hinwiesen, vorbei, weil er befürchtete, sie könnten für den Lancia zu eng sein. Er wollte sich beim Einparken des ungewohnt großen Wagens nicht blamieren. Als spielte das jetzt noch eine Rolle. Unter dem ratlosen Schweigen der anderen bog er in eine Nebenstraße ein, wo alles frei war. Er war schon ausgestiegen, da warf von Levetzov noch einen Blick durch die halb geschlossene Autotür.
    «Merkwürdig», sagte er,«der Kasten für den Gurt ist ganz zerkratzt. »Dann stieß er die Tür zu.
    Millar, der seine Tür bereits schwungvoll zugeworfen hatte und auf ein Schaufenster zutrat, machte kehrt. Aber bevor er mit der Hand am Griff war, hatte Perlmann bereits die Zentralverriegelung betätigt und ließ den Schlüssel in die Hosentasche gleiten.
    Am Platz vor dem Rathaus stieg gerade Angelini, der unterwegs die beiden Frauen mitgenommen hatte, aus seinem roten Alfa Romeo. Er trug einen dezent grauen Anzug mit breitem

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