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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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Perlmann und sah das lachende Gesicht von Agnes, wenn er seinem unbegründeten Haß auf dieses Wort wieder einmal freien Lauf gelassen hatte.
    Während die anderen schon vor den leeren Tellern saßen, löffelte Perlmann hastig seine Suppe. Er war froh, daß zwischen ihm und Millar ein Platz für Giorgio Silvestri freigeblieben war. Irgend etwas Unangenehmes war da noch mit Millar, das spürte er plötzlich ganz deutlich; ein Versäumnis, das ihm aber nicht einfallen wollte. Erst als er hörte, wie von Levetzov sich bei Millar für einen übersandten Text bedankte, erinnerte er sich an das Päckchen mit den vier Sonderdrukken, das im August aus New York angekommen war, versehen mit dem Stempel FIRST CLASS MAIL, der Perlmann stets an Diplomatenpost denken ließ, die sich zu ihm verirrt hatte.
    Das Päckchen hatte auf dem Schreibtisch gelegen, als er nachmittags, nach Frau Hartwigs Dienstschluß, ins Büro gegangen war, ohne Ziel, nur um sich zu vergewissern, daß er noch zur Universität gehörte. Zu Hause hatte er die Sachen sofort in den Schrank gestopft, aus dem ihm jedesmal ein Berg von Sonderdrucken entgegenkam, von denen regelmäßig einige zu Boden fielen. Am Anfang, als Assistent und Privatdozent, hatte er auf jeden Sonderdruck mit einem Brief reagiert, der oft die Länge einer Rezension hatte. Es war eine umfängliche Korrespondenz entstanden, denn er hatte nie gewußt, wann ein solcher Briefwechsel zu Ende war, und hatte es nicht fertig gebracht, den Brief des anderen den letzten sein zu lassen. Die anderen fühlten sich ernst genommen, auch geschmeichelt, es war für sie ein Anlaß, ihre Arbeit weiter zu kommentieren, und nicht selten fand Perlmann in einem späteren Sonderdruck den Hinweis, daß diese neue Arbeit auf eine besonders anregende Korrespondenz mit ihm zurückgehe. Darüber war jeweils viel Zeit vergangen, er war sich wie der selbsternannte und zugleich zwangsverpflichtete Trainingspartner der anderen vorgekommen, der selbst nicht vorankam. Dann, mit den Verpflichtungen als Professor, waren diese weitläufigen Briefwechsel zeitlich unmöglich geworden. Er hatte keinen Mittelweg gefunden und war von einem Tag zum anderen dazu übergegangen, einfach nicht mehr zu reagieren.
    Er selbst hatte nie eigene Sonderdrucke verschickt; nur auf Anfrage hin hatte die Sekretärin einen vom Stapel genommen. Er hatte nie glauben können – wirklich glauben -, daß andere lesen wollten, was er schrieb. Der Gedanke, daß sich jemand mit ihm beschäftigen könnte, war ihm peinlich. Und diese Empfindung war, paradoxerweise, durchsetzt mit einer Gleichgültigkeit, die einem Sakrileg gleichkam, weil sie die gesamte akademische Welt in Frage stellte. Dabei war es nicht Arroganz, da war er sich ganz sicher. Und die Tatsache, daß die anderen seine Sachen ganz offensichtlich lasen und sein Ansehen größer wurde, änderte an dieser Empfindung nicht das geringste. Jedesmal, wenn er den Schrank öffnete, kam ihm der Berg von Ungelesenem, der ihm da entgegenstürzte, wie eine Zeitbombe vor, auch wenn er nicht hätte sagen können, worin die Explosion bestehen würde.
    «Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, Sie zu dem Preis zu beglückwünschen», sagte von Levetzov zu Perlmann, als der Kellner die Suppenteller abgeräumt hatte. Es klang, dachte Perlmann, als habe er einen sehr langen Anlauf für diese Äußerung gebraucht, einen Anlauf, der schon oben in seinem Zimmer begonnen hatte, oder sogar schon auf der Reise. Von Levetzov fächelte den Rauch weg, der von Laura Sand her auf ihn zutrieb, und wandte sich dann an Evelyn Mistral.
    «Sie müssen nämlich wissen, daß unser Freund hier kürzlich einen Preis gewonnen hat, der die höchste Anerkennung für wissenschaftliche Leistungen darstellt, die es in unserem Lande gibt; es ist fast schon ein kleiner Nobelpreis. »
    «Weil...», warf Millar ein.
    «Doch, doch», fuhr von Levetzov fort, und nachdem er in Ruges Gesicht vergeblich nach einer Bestätigung gesucht hatte, fügte er mit süffisantem Lächeln hinzu:«Man wundert sich zwar manchmal ein bißchen, wer den Preis bekommt, aber ich bin sicher, daß die Entscheidung in diesem Fall gerechtfertigt war. »
    Perlmann umfaßte sein Glas mit beiden Händen und betrachtete das Kreisen des Mineralwassers so konzentriert, als beobachte er im Labor den Ausgang eines Experiments. Dasselbe hatte er getan, während damals, bei der Preisverleihung, seine Leistungen in einer Rede gewürdigt worden waren. Zwei Wochen nach Agnes’ Tod

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