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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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labil, geradezu für gefährdet halten, um sich bei ihm für einen derart harmlosen Scherz zu entschuldigen. Ohne ein weiteres Wort nahm er ihr die Chronik ab und bat Signora Morelli, die den Umschlag neugierig betrachtete, sie bis nachher aufzubewahren.
    Täuschte er sich, oder benahmen sich auch die anderen schonend und zuvorkommend wie einem Rekonvaleszenten gegenüber – ähnlich wie vorgestern abend? Es war doch auffällig, wie schnell Evelyn Mistral die Hand zurückzog, als sie beide gleichzeitig nach dem Salz griffen. Und lag über ihrem Lächeln nicht ein Schleier von erneuter Befangenheit?
    «Vielleicht gar keine schlechte Idee, einer Chronik diese Aufmachung zu geben», sagte von Levetzov, als ihre Blicke sich trafen.«Eigentlich sind das ja wirklich die Dinge, an die man sich erinnert. »
    «Und das seriöse Zeug liest ohnehin niemand; viel zu trocken», grinste Ruge.
    Perlmann sah die anderen vor sich, wie sie sich vorhin, als er nicht dabei war, vor Lachen gebogen hatten. Er blickte auf seinen Teller und würgte das Essen hinunter, obwohl ihm das Mittagessen aus der Trattoria immer noch schwer im Magen lag. Noch diese eine Stunde. Vielleicht ist es sogar weniger. Und morgen die Verabschiedungen. In Ivrea wird es ganz anders sein. Freier. Viel freier.
    Als der Kellner den Nachtisch serviert hatte, klopfte Brian Millar ans Glas. Perlmann fuhr zusammen. Eine Rede. Eine Rede, auf die er würde reagieren müssen. Es traf ihn völlig unvorbereitet. So, als habe er so etwas noch nie erlebt. Er dachte an die erste Sitzung in der Veranda zurück, als er fieberhaft überlegt hatte, was er als sein Thema angeben könnte.
    Es seien wundervolle Wochen gewesen, sagte Millar. Der intensive Gedankenaustausch. Die kollegiale, ja freundschaftliche Atmosphäre. Das tolle Hotel. Der zauberhafte Ort.
    «Ich möchte Ihnen im Namen von uns allen danken, Phil. »Er hob das Glas.«Sie haben das großartig gemacht. Und jeder von uns weiß, wieviel Arbeit es für Sie war. Wir hoffen, daß auch Sie selbst etwas davon hatten – trotz Ihrer schwierigen Situation. »
    Bloß jetzt nichts sagen, was nach einer Entschuldigung klingen könnte, dachte Perlmann, während er eine Zigarette anzündete, um während des langen Klatschens eine Beschäftigung für die Hände zu haben. Er schob den Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und wollte gerade mit einer Antwort beginnen, da erhob sich Leskov mit einem Ächzen.
    Er habe ja leider nur kurz dabeisein können, sagte er feierlich, aber es seien für ihn unvergeßliche Tage gewesen. Er habe noch nie so viele Freunde auf einmal gewonnen, und noch nie in so kurzer Zeit so viel gelernt. Er sei ja nun ein Außenseiter, um nicht zu sagen Eigenbrötler, lächelte er. Um so mehr möchte er allen für die Freundlichkeit und Nachsicht danken, die sie ihm entgegengebracht hätten. Er sah Ruge an.«Auch wenn ich Dinge verfochten habe, die ziemlich verrückt klingen mußten. »Ruge grinste. Am meisten aber möchte er seinem Freund Philipp danken.«Er hat mich eingeladen, ohne viel von mir zu wissen. Auf ein einziges Gespräch hin, in dessen Verlauf er, wie ich hier erlebt habe, meine Gedankengänge besser verstanden hat als jeder andere bisher – beinahe besser als ich selbst. Dieses Vertrauen und dieses Verständnis waren eine phantastische Erfahrung. Ich werde sie nie vergessen.»Er drückte die Hände ineinander und machte die Gebärde des Dankens.
    Auch er habe viel von dem Aufenthalt gehabt, begann Perlmann. Viel mehr, als habe sichtbar werden können. Sehr viel mehr. Für den einen oder anderen möge es manchmal ausgesehen haben, als liege er im Zwist mit dem Fach. Es sei jedoch genau das Gegenteil der Fall.
    Perlmann merkte mit Entsetzen, daß er nicht mehr aufhalten konnte, was jetzt kam. Er sprach ganz ruhig und schlüpfte sogar in die Pose der Nachdenklichkeit. Zugleich aber umklammerte er mit der linken Hand, die zu zittern drohte, fest das Handgelenk der rechten, die auf dem Knie lag.
    Seit längerem nämlich, sagte er, schreibe er an einem Buch über die Grundlagen der Linguistik. Millar und von Levetzov hoben fast gleichzeitig die Brauen, und Ruge faßte an das geflickte Gelenk der Brille. Die Arbeit daran habe ihn auf immer grundsätzlichere Fragen geführt, wie etwa diese: wie die leitenden Fragen der Disziplin überhaupt entstünden; wie man Fragen, die etwas aufzuschließen vermöchten, von verfehlten Fragen unterscheiden könne; was die Linguistik an der Sprache eigentlich

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