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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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verstehen wolle, und in welchem Sinn. Und so weiter.
    Reglos umklammerte Leskovs Faust die erloschene Pfeife. Er lächelte verschwörerisch. Das Eis in der Glasschale vor ihm zerlief.
    Und eine Frage, fuhr Perlmann fort, beschäftige ihn dabei ganz besonders: ob das Fach, wie es derzeit betrieben werde, der eminent wichtigen Rolle gerecht werden könne, welche die Sprache in der vielfältigen, facettenreichen Entwicklung des Erlebens spiele. In vielem, was er hier gesagt habe, sei es ihm um diese Frage gegangen, schloß er. Dabei habe er oft des Teufels Advokaten gespielt. Um von den anderen zu lernen.
    «Das hat mich ein gutes Stück weitergebracht. Und dafür möchte ich allen danken.»
    Es war noch zu früh, eine Zigarette anzuzünden. Die Hand könnte zittern. Schlecht hatte es nicht geklungen. Sogar irgendwie überzeugend. Aber hinter der Stirn eines jeden am Tisch mußte sich jetzt dieselbe Frage formen: Warum hat er dann nichts aus diesem Buch vorgetragen und uns statt dessen das andere, merkwürdige Zeug zugemutet? Mit einer hastigen Bewegung, die das befürchtete Zittern überdecken sollte, griff er nach den Zigaretten und hielt dann, damit sich die Hände gegenseitig ruhig halten konnten, das Feuerzeug so, als fege gerade ein Sturm durch den Speisesaal. Der Rauch schmeckte ungewohnt, als sei es nicht seine Marke. Er versuchte krampfhaft, an das helle Büro in Ivrea zu denken, und zwang sogar ein genaues Bild des Schreibtisches herbei. Trotzdem wurde ihm übel.
    Wann man mit dem Erscheinen dieses interessanten Buches rechnen könne, fragte von Levetzov und schien Millar damit das Wort aus dem Mund zu nehmen. Er wolle sich damit Zeit lassen, antwortete Perlmann und ließ die Asche neben dem Knie hinunter auf den Teppich fallen, um die Hand nicht zum Aschenbecher führen zu müssen. Ob nicht die Veröffentlichung der hier diskutierten Arbeiten der ideale Ort wäre, um seine ersten Ideen vorzustellen, fragte von Levetzov. Als er Perlmanns Zögern sah, huschte ein Schatten des Argwohns über sein Gesicht.
    «Diese Veröffentlichung ist doch fest geplant, nicht wahr?»
    «Sicher», hörte sich Perlmann sagen.«Aber Sie wissen ja, wie so etwas ist: bei den Verlagen sondieren, Verhandlungen führen – das Übliche. Auch muß ich mit Angelini wegen der Finanzierung reden. Sie hören dann alle von mir. »
    «Ich könnte mir vorstellen, daß mein Verleger in New York Interesse hätte», sagte Millar.«Übrigens auch an einem Buch wie dem Ihren. Soll ich mal mit ihm reden?»
    Perlmann nickte wortlos. Er hatte keine Ahnung, was er sonst hätte tun können. Die Zigarette verbrannte ihm die Finger. Er ließ sie fallen und trat sie auf dem hellen Teppich aus. Leskov zeichnete mit dem Stiel des Löffels Linien aufs Tischtuch. Er denkt an eine Übersetzung seines Texts. Morgen fragt er mich wieder.
     
    Signora Morelli erschien und bot ihnen an, im Salon Kaffee und Cognac servieren zu lassen. «La ultima serata! In der Halle machte Perlmann kehrt und ging in den Speisesaal zurück. Er hob den Zigarettenstummel auf und wischte mit der Serviette über die Stelle. Es blieb ein großer, schwarzer Fleck. Im Raum war sonst nur noch ein Pärchen. Die beiden waren mit sich selbst beschäftigt und warfen ihm nur einen flüchtigen Blick zu.
    «Ich war kurz draußen», sagte Millar, als Perlmann sich auf einen der Sessel im Salon setzte.«Immer noch trocken. Jetzt kann das Geld nur noch an Sie oder Vasilij gehen, der eine Stunde geschätzt hatte. »Er zog einen Zehntausend-Lire-Schein aus der Tasche.«Wir können den Einsatz ja schon mal bereitlegen.»Das Bündel Scheine, das zusammenkam, beschwerte er mit dem Aschenbecher.«Bis wann läuft die Wette? Sollen wir sagen: Mitternacht?»

53
     
    Perlmann hatte nicht gewußt, daß er es tun würde. Er merkte es erst in dem Moment, als Millar die Arme auf die Sessellehne legte und sich nach hinten drückte, um fürs Aufstehen Anlauf zu nehmen. Fast war ihm, als würde er von einer unsichtbaren Macht geschoben, die mehr über ihn wußte als er selbst. Mit einer einzigen Bewegung war er auf den Beinen und ging mit raschen Schritten zum Flügel. Bevor er sich setzte, schirmte er mit dem Körper die Hände ab und riß sich das Pflaster vom Finger. Während er den Deckel der Tastatur hochklappte, sah er aus dem Augenwinkel, wie Millar von der Kante des Sessels wieder nach hinten rutschte.
    Er brauchte nicht zu überlegen. Nocturnes waren das einzige, was er sich, nach fast einem Jahr ohne einen

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