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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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es routiniert. So würde er sich immer verabschieden. Und doch war es nicht nur das Vollziehen einer Konvention. In seinem Gesicht hatte es einen Ruck gegeben, mit dem er den gestrigen Abend hinter sich ließ.«Und wegen Ihres Buches: Ich werde gleich nächste Woche mit meinem Verleger sprechen. Ich werde es ihm ganz besonders ans Herz legen. »
    Perlmann nickte stumm, und es kam ihm dabei vor, als habe er die gesamten fünf Wochen lang auf alles, was man ihm sagte, immer nur diese eine Antwort gegeben: ein wortloses Kopfnicken.
    Millar zog den Reißverschluß der Windjacke zu und griff nach dem Koffer. Nach zwei Schritten setzte er ihn wieder ab und drehte sich um.«Übrigens: Ihr Chopin – er klang ziemlich gut. Und so viel besser ist Liszt nun auch wieder nicht. Kein Vergleich mit Bach», grinste er.
    Perlmann dachte an Sheila und den Luftballon.«Einen Bach wie den Ihren habe ich noch nie gehört», sagte er.«Ein ganz eigener Stil. »
    Millar errötete.«Oh, danke. Vielen Dank. Das hat noch niemand zu mir gesagt. Wir hätten schon früher... »
    Perlmann nickte stumm. Bevor Millar ins Taxi stieg, blickte er noch einmal zu Perlmann hinauf und hob die Hand. Als das Taxi verschwand, überkam Perlmann ein Gefühl der Leere und des Versäumnisses.
     
    Leskov saß auf der Terrasse in der Sonne, als Perlmann und Evelyn Mistral eine halbe Stunde später herauskamen. Ihr Zug ab Genua gehe um elf, antwortete sie auf seine Frage.
    «Dann bist du ja bis um eins längst wieder hier», sagte Leskov zu Perlmann.«Weil dann nämlich unser Schiff abfährt», fuhr er fort, als er Perlmanns verständnisloses Gesicht sah. Er lade ihn bei diesem strahlenden Wetter zu einer Schiffahrt nach Genua ein, Hafenrundfahrt eingeschlossen.«Ich habe ja noch kaum etwas von der Gegend gesehen. Wo neulich auch noch die Küstenstraße gesperrt war. Bezahlen werde ich es damit!»sagte er lachend und zerrte das zerknitterte Wettgeld aus der Hosentasche.
    Perlmann spürte, wie der Griff des Handkoffers feucht wurde. Reglos sah er auf Evelyn Mistrals rote Schuhe hinunter.
    «Das kannst du ihm unmöglich abschlagen», sagte sie auf spanisch zu ihm und senkte dabei die Stimme.
    Zwei weitere Tage Uerzweiflung für ihn. Es sei denn, ich lasse Ivrea sausen. Dann ist es nur einer.
    «Hast du keine Lust?»fragte Leskov. Die Enttäuschung in seiner Stimme und sein ängstliches Gesicht waren nicht auszuhalten.
    «Doch, natürlich», sagte Perlmann heiser,«und bis eins bin ich auf jeden Fall zurück. »Er war froh, daß unten jetzt das Taxi hupte.
    Es wurde eine schweigsame Zugfahrt. Perlmann kämpfte erfolglos gegen die Beklemmung an, die ihm die Kehle zuschnürte. Jedes einzelne Wort mußte er sich abringen und wußte nicht, wie er es anstellen sollte, daß Evelyn Mistral das Würgen nicht auf sich bezog. Während sie aus Verlegenheit anfing, über das Buch zu reden, das sie gerade las, überlegte er immer von neuem, ob er ihr Leskovs Text geben sollte, damit sie ihn in Genf aufgab. Zwei Tage. Auf jeden Fall einer. Auf sie konnte kein Verdacht fallen, sie war niemals auch nur in der Nähe von Leskovs Handkoffer gewesen. Vielleicht würde Leskov annehmen, daß seine Maschine von Frankfurt weiter nach Genf geflogen war, wo man den Text schließlich entdeckte. Aber wie in aller Welt sollte er ihr erklären, daß der Umschlag so schnell wie möglich nach St. Petersburg gelangen mußte, wo sie doch beide dem Empfänger noch vor einer halben Stunde gegenübergestanden hatten?
    «Du hättest den Nachmittag lieber für dich allein gehabt, nicht wahr?»fragte sie, als der Zug in den Bahnhof von Genua einfuhr.
    Perlmann nickte.
    «Aber er schien sich auf die Schiffahrt zu freuen wie ein Kind. »
    Wieder nickte er stumm.
    Der große Koffer mit dem roten Elefanten mitten auf dem Deckel schlug gegen die Stufen des Wagons, als sie einstieg. Perlmann nahm ihr den Koffer ab und ließ sie seinen Handkoffer halten. Als sie sich im leeren Abteil, wo es muffig roch, gegenüberstanden, fuhr er ihr über das frisch gewaschene, strohige Haar. Nach einem kurzen Zögern, währenddessen sie in seinem Gesicht zu lesen versuchte, legte sie ihm die Arme um den Hals und lehnte sich spielerisch zurück.
    «¡No te pierdas!»
    Er nickte, griff zum Handkoffer und war mit wenigen Schritten draußen. Als er sich umdrehte, stand sie an der offenen Wagentür.
    «Dieser frühere Text von Vasilij: Du hast ihn gelesen, nicht wahr?»
    Perlmann holte tief Atem und blickte sie an.«Ja. Aber es

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