Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)
Handkoffer.«Dieses Leder. Und diese raffinierten, eleganten Schlösser. Man kann wirklich neidisch werden. »
Perlmann hielt sich an der Reling fest, bis ihm die Knie wieder gehorchten.
Als sie in Genua an Land gingen, blieb Leskov plötzlich stehen.«Nehmen wir an, ich habe ihn im Flugzeug liegenlassen. Weißt du, was ich dann am meisten fürchte? Die Putzkolonne. Woher sollen diese Leute, wenn sie so etwas finden, wissen, daß es wertvoll ist?»
Es ging nicht mehr anders. Perlmann mußte es erfahren, und das war die Chance.
«Bei einem derart dicken Papierstoß wird jeder stutzig. Da tippt man nicht mehr auf unwichtige Papiere. Das ist ja doch ein halbes Buch. Oder?»
Leskov nickte.«Du könntest recht haben. Es sind immerhin siebenundachtzig Seiten. »
Dann sind es also siebzehn Seiten, die er neu schreiben muβ. Die Länge eines ganzen Vortrags. Aber er hat es ja noch im Kopf. So etwas hat man noch lange danach im Kopf.
Perlmann mied die Hafenkneipe, von der aus er vor acht Tagen Maria angerufen hatte. Aber es war schwierig, in der Nähe etwas anderes zu finden, und schließlich setzten sie sich an den einzigen Tisch vor einem Schnellimbiß, wo es nach Fisch und verbranntem Öl roch. Perlmann war froh über den Straßenlärm und die Kinder, die mit ihren Skateboards haarscharf an ihnen vorbeiglitten. Diese Dinge würden der Frage, die er nicht mehr länger zurückzuhalten vermochte, einen beiläufigen Klang geben.
«Bis wann mußt du den Text eigentlich eingereicht haben? Wegen der Stelle, meine ich. »
«Bis in zwei Wochen. »
Perlmann vermochte sich nicht mehr zu bremsen.«Dann hast du noch genau vierzehn Tage?»
Leskov sah ihn mit zerstreutem Erstaunen an.«Dreizehn», sagte er dann lächelnd,«der Samstag zählt nicht.»
«Was würde geschehen, wenn du mit dem Text erst am Montag danach kämst?»
Die Verwunderung in Leskovs Gesicht war jetzt wacher als vorhin.
«Es interessiert mich nur, wie pingelig man da bei euch ist», sagte Perlmann schnell.
«Sie würden ihn vermutlich auch dann noch anerkennen», sagte er nachdenklich.«Aber man weiß nie. Es sind Bürokraten. Es ist besser, man liefert ihnen keinen formalen Vorwand. Und der Termin ist ja auch kein Problem», fügte er ruhig hinzu, während der Kellner das Essen vor ihn hinstellte,«ich muß den Text ja eigentlich nur noch abtippen, und darin bin ich schnell. Für die Anmerkungen brauche ich höchstens einen halben Tag.»
Perlmann würgte seinen Schafskäse hinunter und spürte, wie sich der Magen verkrampfte. Vor Freitag hat er den Text nicht. Dann bleibt ihm eine Woche. Das könnte reichen. Was aber ist, wenn er ihn erst am Montag drauf erhält, oder sogar erst Dienstag?
«Wie lange war mein Brief damals eigentlich unterwegs?»fragte er.
Im ersten Moment verstand Leskov nicht.«Ach so», sagte er dann,«Du denkst an die eventuelle Sendung der Lufthansa. Ich weiß nicht mehr genau; ungefähr eine Woche, glaube ich.»Abwesend stocherte er im Salat.«Gut, daß du fragst. Das bedeutet nämlich, daß der Text noch unterwegs sein kann, wenn ich ihn morgen abend nicht vorfinde. Es können ja leicht ein, zwei Tage vergehen, bis die Sache mit der russischen Adresse geklärt ist. Ich darf dann also nicht gleich verzweifeln. Zumal am Montag selten Post kommt. Wenn dann allerdings bis Mittwoch oder gar Donnerstag immer noch nichts da ist... Ach, Unsinn», sagte er mit einem forcierten Lächeln und nahm eine Gabel voll,«der Text liegt dort auf dem Schreibtisch, mitten in der Unordnung, ich sehe die gelben Blätter direkt vor mir.»
Seit vorgestern war es mit den Hafenrundfahrten für dieses Jahr vorbei. Der Betrieb würde erst Anfang März wieder aufgenommen. Leskov las den englischen Text des Anschlags dreimal halblaut vor. Plötzlich fiel seine Begeisterung über die Umgebung und das südliche Licht in sich zusammen, und alle Zuversicht war verschwunden.
«Jetzt habe ich mir meine einzige Hoffnung auf eine sichere Stelle und ein bißchen Ruhe selbst zunichte gemacht», sagte er, als sie im Taxi an den oberen Rand der Stadt fuhren, um, wie Perlmann gesagt hatte, wenigstens diesen schönen Blick zu haben. Und dann, auf einer Terrasse mit traumhafter Aussicht, erzählte er von den Machtkämpfen und Intrigen im Institut und von seiner unsicheren Position. Es war nicht so, daß die anderen nichts von ihm hielten. Eigentlich sogar das Gegenteil: Sie fürchteten seinen selbständigen Kopf und beneideten ihn darum. Ferner gab ihm die Zeit im
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