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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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Abstand vor Perlmann herfuhr, auf ihn zukam, bückte er sich, um den Fahrgast besser sehen zu können. In dieser Haltung verharrte er, als er dann Perlmanns Taxi kommen sah. In seinem Rücken gab es einen Ruck, er kippte die Brille ein wenig, um sich seiner Wahrnehmung zu vergewissern, und trat dann mit schwingenden Armen, die sich über dem Kopf kreuzten, mitten auf die Fahrbahn, als müsse er nachts auf einer einsamen Strecke das einzige Auto anhalten.
    Mit einem verwunderten Ausruf hielt der Fahrer an. Von dem Moment an, in dem er Leskov erblickte, hatte Perlmann nichts mehr zu denken vermocht. Nur den Griff des Handkoffers hatte er noch fester umklammert. Jetzt gab er dem Fahrer einen großen Schein und stieg aus.
    «Ich habe gedacht, du kommst überhaupt nicht mehr», sagte Leskov und bemühte sich, den vorwurfsvollen Ton sofort wieder aus der Stimme zu nehmen.«Das Schiff ist schon da! »
    Während der ersten halben Stunde der Fahrt fiel es nicht auf, daß Perlmann kaum etwas sagte. Leskov genoß es, vorne auf dem fast leeren Schiff zu stehen und auf das stille, blendend helle Wasser hinauszublicken. Nach einer Weile dann holte er eine Landkarte aus der Jacke. Signora Morelli habe sie ihm geliehen. Perlmann erkannte die Schmutzspuren sofort: Es war dieselbe Karte, die er bei der Planung seiner Tat benutzt hatte und die beim Aufsammeln der gelben Blätter als Unterlage für die mürbe Seite mit der Zwischenüberschrift gedient hatte. Nein, sagte er, als Leskov auf Portofino deutete, dort sei er noch nie gewesen. Und auch den Hafen von Genua kenne er nicht.
    Als Leskov später von der Toilette zurückkam, setzte er sich neben Perlmann auf die Bank, und während er die Pfeife anzündete, betrachtete er den Handkoffer. Immer wenn er in den letzten Tagen einen Handkoffer gesehen habe, sagte er, habe er an seinen vermißten Text denken müssen. Und an das Stückchen Gummiband im Reißverschluß des Außenfachs.
    «Du hältst es doch auch für das Wahrscheinlichste, daß ich ihn zu Hause habe liegen lassen, oder? Ich meine, nach allem, was ich dir erzählt habe?»
    Perlmann nickte und griff nach den Zigaretten.«Auf jeden Fall glaube ich nicht, daß der Text einfach verloren ist», sagte er und war erleichtert über die Festigkeit in seiner Stimme.«Die Lufthansa ist berühmt für ihre Sorgfalt mit vergessenen Dingen. »
    «Du meinst also wirklich, sie würden mir den Text zuschicken?»
    Perlmann nickte.
    «Aber die Adresse ist russisch geschrieben, und dazu ist es noch Handschrift», sagte Leskov. Hinter den dicken Brillengläsern waren seine Augen unnatürlich groß, und dadurch erschien auch die Angst, die in ihnen lag, vergrößert.
    Perlmann sah rasch weg.«Die Lufthansa ist eine der größten internationalen Fluggesellschaften, und sie fliegt auch Rußland an. Da gibt es bestimmt Leute, die Russisch können. »
    Leskov seufzte.«Vielleicht hast du recht. Wenn ich nur sicher wäre, daß ich die Adresse wirklich draufgeschrieben habe. Vorgestern nacht habe ich plötzlich Zweifel bekommen. »
    Perlmann schloß die Augen. Sein Herz hämmerte. Er nahm Anlauf.«Welche Adresse schreibst du gewöhnlich unter einen solchen Text?»
    «Wie? Ach so, die dienstliche.»Er sah Perlmann an.«Du meinst, weil ich dich gebeten habe, nur die private zu benützen? Nein, weißt du, in einem solchen Fall ist das was anderes. »
    Perlmann entschuldigte sich und ging nach innen, wo er sich neben der Toilette an die Wand lehnte. Das Hämmern in der Brust nahm nur langsam ab. Nein, es war zu gefährlich, ihn nach der Adresse zu fragen. Einmal abgesehen davon, daß er keinen überzeugenden Grund vorzubringen wüßte: Er müßte ihn bitten, sie aufzuschreiben, und das Ganze würde dadurch zu einer Aktion, die als etwas Auffälliges in seinem Gedächtnis haftenbliebe. Langsam ging er zurück, wich unter der Tür einem Matrosen aus und betrat das Deck.
    Sein Herzschlag setzte aus. Leskov hatte den Handkoffer auf den Knien und ließ gerade die beiden Schlösser zuschnappen. Jetzt stellte er den Koffer wieder auf den Boden. Perlmann tat ein paar Schritte zur Seite. Nein, er hatte den Umschlag nicht in der Hand, sondern stand jetzt auf und stopfte sich an der Reling eine Pfeife. Perlmann ging langsam auf ihn zu und berührte dabei die Lehne jeder einzelnen Bank, als wolle er sich versichern, daß sie ihm als Stütze zur Verfügung stünde.
    «Ihr im Westen habt schon schöne Sachen», sagte Leskov und deutete mit dem Pfeifenstiel auf den

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