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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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erwartungsvollen Blicken der Studenten den Mittelgang des Hörsaals hinunterging. Beinahe mit jeder Stufe wuchs die Empfindung, daß er ihnen die Zeit stahl.
    Er schlug dann die Notizen auf und fing an zu reden, routiniert und flüssig, er war bekannt dafür, frei sprechen zu können wie gedruckt. Die Studenten mochten ihn, oftmals kamen nachher mehrere nach vorne zum Pult und wollten mehr wissen. Das war besonders schlimm. Während der Vorlesung hatte ihn der leere Raum zwischen Pult und Bänken geschützt, hatte gewirkt wie ein Wandschirm, hinter dem er sein fehlendes Interesse, diesen Makel, verbergen konnte. Wenn die Studenten dann vor ihm standen, fühlte er sich schutzlos und hatte Angst, sie könnten ihm ansehen, daß er nicht mehr dabei war. Er flüchtete sich in einen beflissenen Eifer, holte viel zu weit aus, füllte noch einmal eine Tafel und versprach, beim nächstenmal die entsprechenden Bücher mitzubringen. Nicht selten waren es seine eigenen, die er den Studenten in die Hand drückte wie Bestechungsgeschenke. Sie fühlten sich ernst genommen, verstanden. Ein engagierter Professor. Sie hatten das Bedürfnis, ihn auch persönlich kennenzulernen und luden ihn zu ihrem Stammtisch ein.
    Die ersten Gäste von auswärts trafen ein, um im Hotel zu Mittag zu essen. Perlmann nahm die Bücher und ging aufs Zimmer. Beim Schließen der Tür fiel sein Blick auf den Preisanschlag, und er zuckte zusammen. Das Zimmer kostete an die dreihundert Mark pro Tag. Für eine einzige Person belief sich der Aufenthalt also auf fast zehntausend Mark, die großen Mahlzeiten nicht gerechnet. Mal sieben. Gut, für die Firma Olivetti war das vermutlich kein Betrag, und Angelini würde schon wissen, was er tat, wenn er sie im teuersten Hotel des Orts unterbrachte. Vielleicht hatte er auch einen Rabatt ausgehandelt. Trotzdem hielt Perlmann das Gesicht unter den glänzenden Wasserhahn aus Messing und wusch sich danach lange die Hände. Er wäre von sich aus nie in einem solchen Hotel abgestiegen, selbst wenn Geld für ihn keine Rolle gespielt hätte. Er wußte einfach, daß er hier nicht hingehörte. Und er begann zu schwitzen, wenn er an sein schäbiges Heft aus schwarzem Wachstuch dachte, das alles war, was er dagegenzusetzen hatte, eine lose Sammlung von Aufzeichnungen, die er zudem schon lange nicht mehr angesehen hatte. Er kam sich vor wie ein Hochstapler, beinahe wie ein Dieb.
    Das war der Grund, warum in keiner Fassung seiner Fluchtgedanken der Vorsatz fehlte, die Rechnung für sein Zimmer selbst zu begleichen. Zwar wäre das unter diesen Umständen eine Demonstration. Die anderen würden daran erkennen können, daß nicht höhere Gewalt ihn zu diesem Schritt gezwungen hatte, sondern daß sein sonderbares Handeln etwas mit seiner Einstellung zur Gruppe zu tun haben mußte. Und das war ihm unangenehm: Es lief seinem Bedürfnis zuwider, möglichst wenig von sich preiszugeben und möglichst alles im dunkeln zu lassen. Aber er wollte nichts schuldig bleiben; wenigstens in dieser Hinsicht wollte er die Dinge wieder in Ordnung bringen.
    Zögernd öffnete er den Handkoffer und begann, die Bücher sorgfältig auf dem Schreibtisch aufzubauen. Er hatte sich schwergetan, als er vorgestern abend endlich darangegangen war, eine Auswahl zu treffen. Deutlicher noch als sonst war ihm dabei zu Bewußtsein gekommen, daß er seit längerem keine wissenschaftlichen Vorhaben mehr hatte. Wie sollte man in einer solchen Lage entscheiden, was mitzunehmen war und was nicht. Eine ganze Weile hatte er dagesessen und mit dem kühnen Gedanken gespielt, ohne alle Fachbücher hinzufahren, nur mit einigen Romanen. Aber so befreiend die Vorstellung auch war, das konnte er nicht riskieren. Für den Fall, daß sie ihn hier im Zimmer besuchten, mußte er eine Fassade aufbauen, eine Tarnung. Worauf es ankam, war, unerkannt zu bleiben mit seiner Not. Schließlich hatte er eine Reihe von Büchern eingepackt, die im Laufe der letzten Monate eingetroffen und ungelesen liegengeblieben waren. Es waren Bücher, die sich jeder anschaffen würde, der in diesem Fach tätig war. Er hatte es vor sich selbst noch nicht gewagt, mit solchen Routinekäufen aufzuhören, obwohl ihn das Geld zu reuen begann – eine Empfindung, über die er erschrak, denn seit der Schulzeit war es ihm immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, daß für Bücher keine Summe zu schade war.
    Der Schreibtisch war breit genug für die Bücher, und wenn man sie nach hinten an die Wand schob, mit schweren

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