Pern 02 - Die Suche der Drachen
von Ruatha gegen schmerzhafte Erinnerungen ankämpfen mußte, wenn er dem Weyr einen Besuch abstattete.
Ein Drachenreiter, der sein Tier verloren hatte, blieb für den Rest seines Lebens ein halber Mensch …
Jaxom schlüpfte in seine Sonntagskleider. Dann zog er seine Schaftstiefel und die Jacke aus Wherleder an. Ein angenehmer Schauder lief ihm über den Rücken, wenn er an die beißende Kälte im Dazwischen dachte. Es war, als schwebte man im Nichts, und die Kehle schnürte sich zusammen, und der Magen 88
verkrampfte sich, und man hatte Angst, daß man nie wieder das Licht des Tages sehen würde. Er war auf Felessan ein wenig neidisch, obwohl keineswegs feststand, daß sein Freund später einen Drachen fliegen würde. Aber Felessan lebte auf Benden, und er hatte einen echten Vater und eine echte Mutter und ständig Drachenreiter um sich …
»Baron Jaxom!« rief Lytol vom Außenhof, und der Junge sprang auf, plötzlich von der Angst erfaßt, sein Vormund könnte allein aufbrechen.
Nur ein Grüner, dachte Jaxom ein wenig enttäuscht, als er den Drachen entdeckte. Er hatte zumindest erwartet, daß man für den Verwalter von Ruatha einen Braunen schickte. Doch dann wehrte er den Gedanken zerknirscht ab.
Lytol hatte einen Braunen besessen …
Der grüne Reiter grinste breit, als er Jaxom entdeckte.
»Guten Morgen, Jeralte«, rief er, ein wenig verwirrt, denn er hatte noch vor zwei Planetendrehungen mit dem jungen Mann in den unteren Höhlen gespielt. Jetzt war er ein fertig ausgebildeter Drachenreiter.
»J’ralt, bitte, Baron Jaxom«, korrigierte Lytol seinen Schützling.
»Oh, das macht doch nichts«, meinte J’ralt lachend, während er Jaxom beim Aufsteigen half und ihn mit dem Reitgurt festschnallte.
Jaxom wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Wie konnte er so etwas vergessen! Erst als der Drache über dem Tal von Ruatha schwebte, gewann er wieder Freude an dem Ausflug.
Ein Drachenreiter zu sein, war sicher das Schönste auf der ganzen Welt. Jaxom fühlte mit einemmale heftiges Mitleid für Lytol, der das Glück besessen und wieder verloren hatte.
Sicher bereitete es ihm Qualen, auf einem fremden Tier zu sitzen. Jaxom sah auf den starren Rücken vor sich und wünsch-89
te, er könne seinen Vormund trösten.
Dann tauchten sie ins Dazwischen.
Man muß langsam bis drei zählen, dachte Jaxom aufgeregt.
Er sah und hörte nichts mehr, spürte nicht mehr die weiche Haut des Drachens unter sich. Er versuchte zu zählen und konnte es nicht. Sein Verstand schien zu gefrieren, aber eben, als er aufschreien wollte, wandelte sich die Szene. Sie kreisten über Benden, das sich golden in der Spätnachmittagssonne ausbreitete.
Als sie tiefer gingen, entdeckte Jaxom Mnementh, den größ-
ten Bronzedrachen von ganz Pern, auf dem Felsensims vor der Schlafhöhle der Drachenkönigin. Sie befand sich sicher an der Brutstätte und wachte über die Eier, die im warmen Sand allmählich eine harte, spröde Schale bekamen.
Lessa, die Weyrherrin, und F’lar waren jetzt auf den Sims hinausgetreten. Der grüne Drache stieß einen hellen Schrei aus, und Mnementh antwortete ihm. Ein gedämpftes Grollen aus der Tiefe drang an Jaxoms Ohr. Ramoth hatte ihre Ankunft zur Kenntnis genommen.
Jaxom atmete auf, als er die winzige Gestalt entdeckte, die von den unteren Höhlen heraufgerannt kam.
Felessan.
Sein Freund.
Er hatte ihn seit Monaten nicht mehr gesehen.
Jaxom wußte Lytols kritische Blicke auf sich gerichtet, als er die Weyrherrin und den Weyrführer begrüßte. Er hatte die Worte und Verbeugungen of genug geübt. Dennoch geriet er ins Stammeln und kam sich wie ein Schwachkopf vor.
»Da bist du ja, da bist du ja! Ich habe Gandidan gesagt, daß du kommen würdest!« keuchte ihm Felessan entgegen.
Er nahm zwei Stufen auf einmal, um schneller zu seinem Freund zu gelangen. Felessan war drei Planetendrehungen jünger, aber er gehörte dem Drachenvolk an, und obgleich F’lar und Lessa ihn einer Pflegemutter übergeben hatten, hätte 90
er doch bessere Manieren an den Tag legen müssen. Vielleicht stimmte es tatsächlich, was Mardra immer behauptete. Die modernen Drachenreiter besaßen keinen Anstand.
In diesem Augenblick, als spürte der Junge die Mißbilligung seines Freundes, blieb er vor Lytol stehen und verbeugte sich tief.
»Einen angenehmen Nachmittag, Lytol von Ruatha. Ich danke Ihnen vielmals, daß Sie Jaxom mitgebracht haben.
Dürfen wir beide nun gehen?«
Bevor einer der Erwachsenen antworten
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