Pern 04 - Drachensinger
Sebell. »Ich glaube dir ja.«
»Ich auch«, sagte Piemur. Die Stimme des Jungen klang sehr nachdenklich. »Wir hatten keine Ahnung, daß es dir daheim in der Burg so schlecht ergangen war. Wollte denn gar niemand deine Balladen hören?«
»Doch, Petiron, aber als er starb …«
Sebell nahm ihre Hand. »Jetzt verstehe ich auch, weshalb es dir so schwerfällt, an dich selbst zu glauben. Aber versprich mir, Menolly, daß du von nun an mehr Selbstvertrauen zeigst!
Deine Balladen sind sehr wichtig – für den Meisterharfner, die Gilde und mich. Siehst du, Domick schreibt herrliche Musik, aber nur wir Harfner begreifen sie. Deine Lieder wenden sich an alle Leute – Burgbewohner, Bauern, Seefahrer. Die Themen deiner Lieder rütteln die Menschen auf und helfen die starren Traditionen zu durchbrechen, denen du beinahe zum Opfer gefallen wärst.
Es ist falsch, wenn man seine eigenen Fähigkeiten gering-schätzt, Mädchen. Gut, finde heraus, wo deine wahren Grenzen liegen, aber setz dir keine willkürlichen Schranken durch falsche Bescheidenheit.«
»Schau mich an«, warf Piemur altklug ein. »Ich tu das auch nicht.«
Menolly lachte los. Dann straffte sie die Schultern und atmete tief durch. Prinzessin rieb das Köpfchen gegen ihre Wange und zirpte zufrieden.
»Jetzt geht es besser, Menolly, nicht wahr?« fragte Piemur.
»Dann aber nichts wie los ins Weinzelt! Du hast deinen Gürtel, und ich bin gewaschen – wir dürfen Meister Robinton und Baron Groghe nicht länger als unbedingt nötig warten lassen.«
Menolly zögerte einen Moment lang.
»Nun?« Sebell zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Und wenn der Burgherr erfährt, daß ich Benis das blaue Auge geschlagen habe?«
»Nicht von Benis, das steht fest«, entge gnete Piemur und 226
schnitt eine verächtliche Grimasse. »Außerdem hat er fünfzehn Söhne. Aber nur eine Feuerechse. Er will mit dir über Merga reden, nicht über Benis!«
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10.
Wie von selbst zuckt der Fuß und schnellt das Bein, Dumpf pocht das Blut in den Ohren.
Ein Kressezweig fällt aus der angststarren Hand …
Ich fliehe entsetzt vor den Sporen.
Menollys »Fluchtgesang«
Zu Menollys gewaltiger Erleichterung wollte Baron Groghe in der Tat über Feuerechsen sprechen – und zwar ausschließ-
lich über die seine. Zu viert – Robinton, Sebell, Baron Groghe und sie – saßen sie an einem Nebentisch, jeder eine Echse auf dem Arm oder auf der Schulter. Menolly kam es ein wenig seltsam vor, daß ausgerechnet sie, der Neuankömmling in der Harfner-Gilde, einen Platz in dieser vornehmen Runde fand.
Mit dem Burgherrn kam sie trotz seines polternden Tonfalls und den finsteren Grimassen, die er schnitt, schnell ins Gespräch, nachdem sie ihre anfängliche Nervosität überwunden hatte. Sie erfuhr in allen Einzelheiten, wie die kleine Echse des Barons geschlüpft war und welche Ängste er dabei empfunden hatte.
»Ich wäre froh gewesen, dich an meiner Seite zu haben, Mädchen.«
»Sie vergessen, Baron, daß meine Freunde etwa zur gle ichen Zeit schlüpften wie Merga. Ich hätte Ihnen damals kaum gute Ratschläge geben können.«
»Aber jetzt kannst du, Kind, jetzt kannst du. Wie bringe ich Merga nur bei, daß sie Gegenstände für mich befördert? Ich habe von der Sache mit der Panflöte gehört.«
»Sie hat vermutlich nicht die Kraft dazu. Sehen Sie, um die Flöte anzuschleppen, mußte sich mein ganzer Schwarm 228
anstrengen.« Menolly spürte die Enttäuschung des Barons und dachte nach. »Ein Zettel mit einer Botschaft – das würde sie vielleicht schaffen. Aber Sie müßten ihr das Gefühl vermitteln, daß dieser Auftrag unbedingt notwendig ist. Bei mir … nun ja, meine Füße schmerzten ganz entsetzlich, und der Weg zur Pension war so weit …«
Seine Augen, von einem sonderbar hellen Braun, betrachteten Menolly aufmerksam. »Ah, unbedingt notwendig, sagst du?
Hmmm. Ich wüßte nicht, was ich so notwendig brauche.« Er lachte, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »In der Jugend, Mädchen, da ist alles enorm wichtig. Wenn du erst mal so alt bist wie ich, dann hast du gelernt, dein Leben zu planen.« Er blinzelte ihr zu. »Werde mir den Ratschlag aber merken, denn meine Merga ist ein Bündel von Emotionen. Stimmt's, Kle i-ne?« Er streichelte sie zärtlich mit dem klobigen Zeigefinger.
»Gefühle, darauf reagieren sie also am ehesten. Und ein brennender Wunsch ist eine Art Gefühl, was? Wenn man etwas ganz notwendig braucht …« Er lachte wieder und schaute den
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