Pern 04 - Drachensinger
wartest du noch?« Baron Groghe schnippte mit den Fingern. »Sing das Lied! Schließlich hast du es auch geschrieben. Habe noch nie im Leben einen Harfner gesehen, der sich zierte, wenn es ums Singen ging!«
Menolly warf Meister Robinton einen flehenden Blick zu, aber in den Augen des Harfners funkelte der Schalk, und er lächelte nur.
»Du hast Baron Groghes Worte gehört. Und es wird Zeit, Menolly, daß du dich als Harfnerin einführst.« Er erhob sich und reichte ihr den Arm. Ihr blieb keine andere Wahl, als auf den Platz zu gehen, wenn sie nicht die Gilde blamieren und Baron Groghe verärgern wollte.
»Ich begleite dich, wenn ich darf. Erinnerst du dich noch an die geänderten Stellen?« fragte Robinton, während er sie die Stufen hinauf geleitete.
Sie nickte stumm. Brudegan grinste breit, als sie näher kam, und winkte zwei Gitarrenspieler herbei.
Menolly starrte in ein Meer von Gesichtern. Stille breitete 234
sich aus, und der Meisterharfner summte die erste Zeile der Feuerechsen-Ballade.
Meister Shonagars Worte durchzuckten Menolly: › Halte dich gerade, Schultern zurück, Bauchatmung, Mund weit auf – und sing!‹
Die Königin, klein und golden,
Droht schrill der weiten See.
Tod bringt die Flut,
Der jungen Brut.
Sie schreit hinaus ihr Weh.
Der Beifall, der nach der letzten Strophe der Ballade aufbran-dete, war so ohrenbetäubend, daß Prinzessin mit Angstge-kreisch davonstob. Erst als sich der Lärm legte, kehrte die kleine Echse zurück.
»Sing ein Lied aus der Halbkreis-Bucht«, flüsterte ihr der Meisterharfner ins Ohr, während er einige Übergangsakkorde spielte. »Etwas, das die Landbewohner vielleicht noch nicht kennen. Fang einfach an – wir begleiten dich dann.«
Menolly räusperte sich, und die Menge schwieg. Sie sang zur Einleitung den Refrain, um Meister Robinton den Einsatz zu erleichtern. Die Gitarren fielen prompt ein.
»O weite See, o sanfte See,
Mein einzig Liebchen du,
Deine weichen Anne umfangen mich.
Und wiegen mich zur Ruh'…«
»Gut gemacht«, lobte der Harfner, während von ne uem Beifall losbrach.
»Das Lied war ihnen neu.«
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Er verbeugte sich, und Menolly winkte schüchtern. Dann begann wieder eine Harfnergruppe zum Tanz aufzuspielen.
Robinton führte Menolly zurück an den Tisch, wo Baron Groghe immer noch begeistert klatschte, Sebell reichte dem Meisterharfner seine mehr als entrüstete kleine Bronze-Echse.
Menolly hätte sich gern für einen Moment hingesetzt und von ihrem ersten öffentlichen Auftritt erholt, aber Talmor wartete bereits auf sie.
»Komm, Menolly! Du hast jetzt deine Harfner-Pflicht erfüllt.
Tanzt du mit mir?«
Er warf Prinzessin einen skeptischen Blick zu. »Ob sie auf deiner Schulter sitzenbleibt?«
Die Musiker hatten einen temperamentvollen Galopp ange-stimmt.
»Sie kommt inzwischen zu mir«, meinte Sebell und streckte den Arm aus. »Zair war auch einigermaßen brav …«
Prinzessin schimpfte zwar ärgerlich, aber sie ließ sich am Ende doch überreden. Talmor legte einen Arm um Menollys Taille und wirbelte sie geschickt über die Tanzfläche.
Danach fand Menolly kaum noch Zeit, einen Schluck Wein zu trinken oder Prinzessin ein paar beruhigende Worte zu sagen. Viderian holte sie zu einem Gruppentanz, bei dem Audiva Talmor zum Partner hatte. Dann kam Brudegan und zu ihrer großen Verblüffung auch Meister Domick. Piemur meinte beleidigt, daß er besser tanze als jeder Geselle und schließlich ihr bester Freund sei, oder? Also tanzte sie auch mit ihm.
Gesangsquartette wechselten mit der Tanzmusik ab. Die beiden Lieder, die Petiron an den Meisterharfner geschickt hatte, wurden immer wieder verlangt. Sebell spürte Menollys Verlegenheit und blinzelte ihr lachend zu.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit ließ der Trubel ein wenig nach, denn diejenigen, die einen weiten Heimweg hatten, mußten allmählich an den Aufbruch denken. Die Buden wurden abgebaut, die Zugtiere eingespannt und die Renner 237
gesattelt. Der Weinhändler hatte seine Fässer zum Glück in den Kellern des Burgbergs gelagert und bediente bereitwillig auch noch die späten Zecher.
Prinzessin zwickte Menolly ungeduldig in die Wange und erinnerte sie daran, daß der Echsenschwarm lange genug auf sein Abendessen gewartet hatte. Erschrocken über ihre Gedan-kenlosigkeit, eilte Menolly zur Harfnerhalle zurück. Auf den Stufen zum Innenhof stand Camo mit verzweifelter Miene, im Arm eine riesige Schüssel mit Fleischabfällen. Kaum hatte er
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