Pern 05 - Drachentrommeln
wie Blei an.
Farli tauchte aus dem Nichts auf, landete auf seiner Schulter und wickelte den Schweif fest um seinen Hals. Ihr Stimmchen klang ängstlich und erleichtert zugleich. Piemur streichelte die kleine Königin, bis sie getröstet vor sich hin summte. Plötzlich jedoch versteifte sich der winzige Körper wieder. Farli starrte an ihm vorbei und begann dann wütend zu schimpfen. Piemur drehte sich um, entdeckte jedoch zunächst nichts Außergewöhnliches. Die Echse drehte den Kopf nach oben. Hoch über ihnen kreisten Where. Das bedeutete, daß ganz in der Nähe ein Geschöpf sein mußte, das den Fädeneinfall nicht überlebt hatte.
Und wenn es für die Where als Beute in Frage kam, dann bot es vielleicht auch Nahrung für Piemur und Farli.
Farli schien ebenso begierig wie er, den Wheren zuvorzu-kommen, und sie kreischte begeistert, als er sich mit einem dicken Knüppel bewaffnete und die Böschung erklomm.
Die meisten Tiere, die im Fluß Zuflucht gesucht hatten, waren bereits verschwunden; Piemur hielt den Blick dennoch auf den Boden gerichtet, um nicht versehentlich auf eine Schlange oder Natter zu treten.
Der Renner lag halb verborgen unter einem Buschdickicht.
Würmer krochen über seine Flanke, aber zu Piemurs Verblüffung schien sich das Tier plötzlich aufzubäumen. Lebte das arme Ding etwa noch? Piemur hob den Knüppel, um den Qualen des Tieres ein Ende zu bereiten, als er sah, daß sich unter dem Körper des Renners etwas bewegte. Es war ein schwaches, verzweifeltes Strampeln. Farli flog ihm von der Schulter und umkreiste laut zeternd einen winzigen Huf, der unter dem Kadaver hervorschaute und den Piemur bis jetzt nicht bemerkt hatte.
Mit einem erstaunten Ausruf zerrte Piemur den toten Renner zur Seite. Und er sah ein Fohlen, das sich zitternd hochstemmte 221
und auf dünnen, wackligen Beinen stehenblieb. Sein Kopf und die Schult ern waren von Fäden versengt.
Beinahe geistesabwesend streichelte Piemur den zottigen Kopf und kraulte das Kleine hinter den Ohren. Dann erst entdeckte er die lange Rißwunde am rechten Bein des Winzlings.
»Ach so – deshalb seid ihr nicht mehr rechtzeitig zum Fluß gekommen, was?« Piemur drückte das Fohlen enger an sich.
»Und deine Mutter hat dich mit ihrem eigenen Körper vor den Fäden geschützt! Wie tapfer von ihr!«
Farli zirpte leise und schmiegte sich an das unverletzte Bein des RennerFohlens, ehe sie auf den Kadaver hüpfte und ihn anzunagen begann. Piemur führte das Fohlen zum Fluß hinunter, wusch seine Wunde aus, legte Heilkrautblätter darauf und umwickelte sie mit Lianen, um die Insekten fernzuhalten.
Mit seiner Angelleine band er das Tier an einem Baumstamm fest und schnitt dann Fleisch für mehrere Mahlzeiten aus dem Kadaver. Die Where umkreisten sie inzwischen in immer niedrigeren Spiralen.
Farli war so satt, daß sie nichts gegen einen Aufbruch einzuwenden hatte. Und es störte sie auch nicht, daß Piemur das tolpatschige kleine Wesen zu ihrer Hütte im Wald trug. Es war so ungeschickt und hilflos, daß Piemur es Dummkopf nannte.
Als Piemur sich an diesem Abend schlafen legte, kuschelten sich Dummkopf und Farli eng an ihn. Er hatte ehrlich beabsichtigt, den Zeitraum bis zum nächsten Sporenregen zu nutzen und zur Burg des Südens zurückzuwandern. Aber nun konnte er doch das kleine Fohlen nicht allein lassen. Es war verletzt und hatte keine Mutter mehr. Aber nach dem nächsten Fädeneinfall, wenn Dummkopf vernünftig laufen konnte, wollte er sich unbedingt auf den Weg machen.
Trotz der späten Stunde entdeckte der Meisterharfner Licht in seinem Arbeitszimmer, als er von der Wiese, wo Lioth und 222
N’ton ihn eben abgesetzt hatten, zur Harfnerhalle hinüberging.
Trotz seiner Müdigkeit war er mit dem Ergebnis seiner Anstrengungen während der letzten vier Tage sehr zufrieden.
Zair saß auf seiner Schulter und zirpte zustimmend. Mit einem Lächeln streichelte Robinton den Nacken der kleinen Bronze-Echse.
»Sebell und Menolly werden ebenfalls zufrieden sein – außer sie haben immer noch keine Nachricht von diesem Lausebengel Piemur!«
Die eine Hälfte des großen Portals schwang nach innen. Er glaubte zu wissen, wer ihn dort in der Dunkelheit erwartete.
»Meister?«
Er hatte recht – es war Menolly.
»Sie sind so lange ausgeblieben, Meister«, flüsterte sie vo rwurfsvoll, während sie das Portal hinter ihm schloß und an dem Handrad kurbelte, mit dem die Decken-und Fußboden-bolzen vorgeschoben wurden.
»Das stimmt, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher