Pern 06 - Der Weisse Drache
Augen kreisten und glommen orangerot. Robinton begrüßte den Reiter, blieb kurz 295
stehen, um den Gitarrenriemen über die Schulter zu streifen, und schwang sich dann, unterstützt von D’fio, auf den Rücken des Braunen.
»Wie stehen die Wetten?« fragte er den Reiter.
»Barnath ist ein prachtvoller Drache, Harfner. Er wird Caylith fliegen. Obwohl …« – ein leiser Zweifel schlich sich in seine Stimme – »die vier Bronzedrachen, die N’ton geschickt hat, sind kräftige junge Tiere und brennen darauf, eine Königin für sich zu gewinnen. Es könnte knapp ausgehen.«
Sie erhoben sich über die schwarze Silhouette der Burgfelsen von Fort, der sich nur vage gegen den Nachthimmel abhob.
Robinton spürte die Anspannung in D’fios Rücken und atmete tief ein, ehe sie ins Dazwischen tauchten. Gleich darauf rief Drenth dem Wachdrachen vom Ista-Weyr seinen Namen zu.
Robinton legte eine Hand über die Augen. Grell spiegelte sich die Sonne auf dem Wasser. Als er in die Tiefe schaute, erkannte er die schroffen dunklen Klippen des Ista-Weyrs, die gleich Riesenfingern in den blauen Himmel ragten. Ista war der kleinste aller Weyr, und ein Teil der Drachen, die hier lebten, hatten sich ihre Schlafhöhlen im Wald am Fuße des Bergstocks gegraben. Aber die breite Hochfläche jenseits des Kegels war jetzt übersät von Bronzedrachen. Ihre Reiter scharten sich in einer dichten Traube um die Königin, die gerade über ihrer Beute kauerte und Blut trank. In sicherer Entfernung standen die Zuschauer. Dorthin glitt Drenth.
Zair verließ Robintons Schulter und gesellte sich zu den anderen FeuerEchsen, die in einem aufgeregten Tanz durch die Luft wirbelten. Robinton fiel auf, daß die kleinen Geschöp-fe einen Respektabstand zu den Drachen wahrten. Aber es war schon ein Fortschritt, daß sie überhaupt wieder in einem Weyr erschienen.
D’fio stieg ebenfalls ab und gab seinem Braunen die Erlaubnis, im warmen Wasser der Bucht unterhalb des Weyr-Plateaus zu baden. Andere Drachen, die nichts mit dem Wettflug zu tun 296
hatten, nutzten bereits die herrliche Schwimmgelegenheit von Ista.
Caylith näherte sich der Herde des Ista-Weyrs, die auf einer eingezäunten Weide graste. Cosira folgte ihr und ließ sie nicht aus den Augen. Sie mußte dafür sorgen, daß die junge Königin kein Fleisch in sich hineinschlang, sonst war sie zu schwerfällig für diesen ungeheuer wichtigen Paarungsflug. Robinton zählte sechsundzwanzig Bronzedrachen, die sich um die Weide versammelt hatten. Ihre Augen funkelten rot vor Erregung, die Schwingen waren halb eingerollt und die Körper geduckt und sprungbereit. Sie waren alle jung, wie F’lar emp fohlen hatte, und ungefähr gleich groß. Ihre Blicke hefteten sich starr auf Caylith.
Caylith ließ ein dumpfes Grollen vernehmen, während sie dem gerissenen Bock das Blut aus der Kehle sog. Sie hob den Kopf, betrachtete den Kreis der Bronzedrachen und fauchte verächtlich.
Plötzlich trompetete der Wachdrache unsicher. Selbst Caylith drehte sich um, einen Moment lang abgelenkt. Von Süden her kamen zwei Bronzereiter über das Meer näher.
In der gleichen Sekunde, da Robinton klar wurde, daß die Tiere dicht über dem Wasser geflogen sein mußten, um so lange unentdeckt zu bleiben, sah er auch, daß es sich um ältere Drachen handelte. Ihre Nackenwülste wirkten verhärtet, die Schnauzen grau. Tiere aus dem Süd-Weyr. Zwei Bronzedrachen der Alten. Der Harfner überlegte. T’kul auf Salth? Ja –
und vermutlich B’zon auf Ranilth. Er rannte zur Weide hinunter, dem Ring der wartenden Bronzedrachen entgegen, denn dies war offensichtlich auch das Ziel der Bronzedrachen aus dem Süden.
Sie hatten den Zeitpunkt genau richtig gewählt, dachte Robinton; aus dem Augenwinkel sah er, daß zwei weitere Männer den Neuankömmlingen entgegeneilten – der untersetzte, ein wenig langsame D’ram und daneben F’lar, hager und sehnig.
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T’kul und B’zon sprangen von ihren Tieren. Die Drachen schoben sich in den Kreis der Wartenden, die sie mit einem feindseligen Zischen empfingen. Robinton hoffte aus ganzem Herzen, daß keiner der Bronzereiter sich zu einer unüberlegten Handlung hinreißen ließ. Die meisten waren so jung, daß sie T’kul und B’zon wohl gar nicht kannten. Aber D’ram und F’lar wußten Bescheid.
Robinton spürte, wie sein Herz zu hämmern begann; ein beängstigender Druck lastete auf seiner Brust. Er verzerrte das Gesicht zu einer Schmerzgrimasse und verlangsamte seine Schritte.
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