Pern 06 - Der Weisse Drache
sich Robinton der haßerfüllten Blicke, die T’kul dem Weyrführer von Benden zugeworfen hatte. Es war Bosheit und Rachedurst, die den einstigen Hochland-Führer anstachelte – Haß auf ein Exil, das er nicht selbst gewählt hatte.
Möglich, daß die Königinnen zu alt waren, um zum Paarungsflug aufzusteigen, aber diese Entwicklung hatte sich wohl erst in jüngster Zeit angebahnt; außerdem alterten die Bronzedrachen ebenfalls. So leicht geriet ihr Blut nicht mehr in Wallung, und der Geschlechtsdrang hielt sich sicher in Grenzen.
Was würde mit T’kul geschehen, wenn Salth den Flug nicht überlebte? Der Harfner seufzte tief. Es fiel ihm schwer, diese Möglichkeit ins Auge zu fassen, aber ihm blieb keine andere Wahl. Der Tod von Salth würde bedeuten, daß …
Robintons Blicke schweiften zum Weyr der jungen Drachenreiterin. T’kul hatte ein Gürtelmesser getragen wie alle anderen Anwesenden. Robinton spürte, daß sein Herz schneller klopfte.
Sollte er, obwohl es sich nicht ziemte, D’ram den Vorschlag machen, daß sich jemand zum Königinnen-Weyr begab – nur für den Fall, daß Probleme auftauchten? Jemand, dessen Drache am Paarungsflug nicht beteiligt war? Wenn ein Drache den Tod fand, kam es oft vor, daß sein Reiter dem Wahnsinn verfiel und nicht mehr wußte, was er tat. Die Vision von T’kuls Haß stand wieder klar vor den Augen des Harfners. Robinton besaß viele Privilegien, aber auch er durfte nicht die Räume einer Weyrherrin betreten, deren Königin zum Paarungsflug aufgestiegen war. Dennoch …
Robinton riß die Augen auf. F’lar saß nicht mehr am Tisch.
Der Harfner sah sich im Gewölbe um, konnte aber nirgends die hochgewachsene Gestalt des Benden-Führers erspähen. Er erhob sich betont lässig, nickte D’ram und Warbret freundlich zu und schlenderte zum Ausgang. Der Harfner von Ista schnitt ihm den Weg ab.
»F’lar hat zwei unserer kräftigsten Reiter mitgenommen, 303
Meister Robinton.« Der Mann deutete unauffällig zum Quartier der Drachenreiterin. »Er fürchtet, daß es Schwierigkeiten geben könnte.«
Robinton nickte erleichtert und blieb dann stehen.
»Wie hat er das geschafft? Ich sah keine Menschenseele auf den Stufen.«
Baldor lachte. »Unser Weyr ist durchzogen von Tunnel-und Stollensystemen. Warum sollten wir das Problem an die große Glocke hängen?« Er deutete auf die Gäste, die sich im Gewö l-be versammelt hatten.
»Das stimmt.«
»Wir werden früh genug erfahren, was sich abspielt.« Baldor stieß einen besorgten Seufzer aus. »Unsere FeuerEchsen geben uns sicher Besche id.«
Robinton war durch die Vorsichtsmaßnahmen ein wenig
beruhigt und kehrte zurück an den Tisch. Er füllte von neuem seinen und D’rams Becher. Kein Benden-Wein, aber durchaus trinkbar, wenngleich ein wenig zu süß für seinen Geschmack.
Wie kam es nur, daß fröhliche Feste so rasch verflogen und ein Ereignis wie dieses sich ewig hinzuschleppen schien?
Der Wachdrache stieß einen Schrei aus, angsterfüllt und dumpf. Aber es war nicht das langgezogene Wimmern, das den Tod eines anderen Drachen ankündigte! Robinton spürte, wie der Druck in seiner Brust nachließ. Seine Erleichterung kam zu früh, denn im Gewölbe machte sich ein beunruhigtes Wispern breit. Einige der Weyrbewohner liefen nach draußen und schauten hinauf zu dem blauen Wachdrachen, der die Schwingen gespreizt hatte. Zair stieß ein paar eigentümlich kehlige Laute aus, aber Robinton konnte von seiner Echse keine klaren Bilder erhalten.
»Einer der Bronzedrachen muß zurückgefallen sein.« D’ram schluckte nervös. Trotz der Sonnenbräune wirkte sein Gesicht aschgrau. Er starrte Robinton an.
»Wetten, daß es eines dieser alten Tiere war!« warf Warbret 304
ein, erfreut, daß sich seine Zweifel als berechtigt erwiesen.
»Vermutlich«, sagte Robinton leichthin. »Aber der Flug war nun mal offen, und so mußte man sie zulassen.«
»Dauert das alles nicht viel zu lange?« Warbret schaute mit gerunzelter Stirn zum Himmel, von dem man nur einen
winzigen Ausschnitt sah.
»Ach, das kommt einem nur so vor«, meinte Robinton.
»Wahrscheinlich weil der Ausgang von so großer Wichtigkeit für den Weyr ist. Zumindest macht Caylith es ihren Anbetern nicht leicht.«
»Ob diesmal ein Königin-Ei dabei sein wird?« fragte Warbret eifrig.
»So früh wollen wir die Eier aber nicht zählen, Baron Warbret!« Der Harfner bemühte sich um einen lockeren
Tonfall.
»Ja, da haben Sie natürlich recht. Ich meine nur – es wäre
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