Pern 06 - Der Weisse Drache
verwirrt, daß sie ihren Verdacht nicht offen aussprach. Dann sah er den merkwürdig warnenden Ausdruck in ihrem Blick; aus irgendeinem Grund, den er nicht begriff, wollte sie nicht, daß er seine Tat bestätigte.
»Du spielst mehrere Rollen zugleich, Jaxom«, fuhr sie ernst fort. »Du bist unbestreitbar Herr einer großen Burg, dazu der Reiter eines außergewöhnlichen Drachen – und ein junger Mann, der nicht recht weiß, wer oder was er sein soll. Du kannst alles und mehr sein, ohne deine Verpflichtungen gegenüber anderen oder dir selbst zu brechen.«
Jaxom schnaubte geringschätzig. »Und wer sagt das? Meno l-ly, die Harfnerin, oder Menolly, die ihre Nase in fremde Angelegenheiten steckt?«
Menolly hob die Schultern und lächelte schwach. »Zum Teil die Harfnerin, weil ich die meisten Dinge nun mal aus der Sicht unserer Gilde beurteile. Hauptsächlich aber Menolly, deine Freundin. Ich glaube, es ist falsch, wenn du dir Sorgen machst.
Besonders nach dem anstrengenden Flug, den du gestern unternommen hast.« Ihr Lächeln strahlte nun Wärme aus.
Ihr Echsen-Schwarm kam in den Weyr geschossen. Jaxom
verbarg seinen Ärger über die Unterbrechung, denn es kam selten vor, daß Menolly so offen mit ihm sprach. Aber die FeuerEchsen waren eindeutig erregt, und ehe Menolly sie so weit beruhigt hatte, daß sie vernünftige Bilder ausstrahlten, landete Ruth in der Felsenkammer. Seine Augen funkelten in allen Farben und kreisten.
D’ram und Tiroth sind angekommen, und alles befindet sich in hellem Aufruhr, erklärte Ruth und streckte Jaxom den Kopf entgegen. Sein Reiter kraulte ihn an den Augenwülsten.
239
Mnementh ist sehr zufrieden mit sich selbst. Ein wenig Kummer schwang in dieser Feststellung mit.
»Ohne deine Hilfe hätte Mnementh die beiden niemals zu-rückbringen können«, tröstete ihn Jaxom. »Habe ich nicht recht, Menolly?«
Ich brauchte die FeuerEchsen, um sie aufzuspüren, warf Ruth bescheiden ein. Und du bist auf den Gedanken gekommen, fünfundzwanzig Planetenumläufe zurückzugehen.
Menolly seufzte. Ihr war der Gedankenaustausch zwischen den beiden Gefährten wieder einmal entgangen.
»Eigentlich verdanken wir auch den Echsen im Süden eine ganze Menge …«
»Genau das hat Ruth eben festgestellt.«
»Drachen sind ungeheuer ehrliche Geschöpfe.« Menolly
atmete tief durch und stand dann auf. »Komm, wir verschwinden jetzt von hier! Wir haben unsere Aufgabe erfüllt. Gut erfüllt. Das ist wohl die einzige Befriedigung, die uns zuteil wird.« Sie warf ihm einen belustigten Blick zu. »Oder nicht?«
Dann schwang sie sich den Rucksack über die Schulter. »Eine bittere Tatsache, aber wir werden uns damit abfinden.«
Sie lächelte ihm mit Verschwörermiene zu.
Als sie auf den Sims hinaustraten, konnten sie das Gewimmel in der Nähe des Königinnen-Weyrs erkennen. Drachenreiter, aber auch die Bewohner der Unteren Höhlen strömten herbei, um D’ram und seinen Bronzedrachen zu begrüßen.
»Ich muß zugeben, daß sich me ine Stimmung bei diesem Anblick beträchtlich hebt«, meinte Menolly, als Ruth sie und Jaxom in die Lüfte trug.
Jaxom beabsichtigte, Menolly in der Harfnerhalle abzusetzen und dann gleich mit Ruth heimzukehren. Aber kaum hatte Ruth sich beim Wachdrachen gemeldet, da flatterten ihnen Zair und eine kleine Echsenkönigin in den Harfner-Farben entgegen und landeten vorsichtig auf Ruths Nacken.
»Das ist Sebells Kimi! Er ist wieder da!« Menolly stieß einen 240
Jubelschrei aus, und Jaxom drehte sich verwundert um. So überschwenglich kannte er die Harfnerin gar nicht.
Der Wachdrache sagt, daß der Harfner uns sprechen möchte, übermittelte Ruth seinem Freund und setzte stolz hinzu: Er meint auch mich.
»Warum denn das?« überlegte Jaxom. »Robinton hat uns
doch schon gebührend gelobt.« Er tätschelte Ruth liebevoll, um seine Antwort etwas abzumildern, und der Drache setzte zum Landeflug im Innenhof an.
Robinton und ein Mann mit dem Meister-Emblem auf der Schulter kamen die Stufen herunter. Der Gilde-Oberste breitete die Arme aus und drückte sowohl Menolly wie Jaxom begeistert an sich. Jaxom war dieser Überschwang ein wenig peinlich, aber ihm blieb vollends die Luft weg, als der andere Harfner Menolly packte, sie herumwirbelte und immer wieder küßte. Anstatt sich zu beschweren, schienen die Echsen damit einverstanden, denn sie vollführten in der Luft fröhliche Kapriolen und schlossen die fremde kleine Königin in ihre Tänze mit ein. Jaxom schielte vorsichtig
Weitere Kostenlose Bücher